Der ÖSTERREICH-Lokalaugenschein zeigt: Noch immer herrschen triste Zustände im Lager.
Fünf Tage ist der Aufnahme-Stopp im Asyl-Erstaufnahmezentrum Traiskirchen alt. Von Entspannung aber keine Spur beim ÖSTERREICH-Lokalaugenschein am Sonntag. Noch immer leben 4.000 Asylwerber im Lager. Trotz sengender Hitze müssen noch immer rund 1.300 im Freien leben. Familien, Frauen, Kinder.
"Als Amnesty kam, war das Essen mal gut"
Hört man sich um, stößt man sofort auf harte Vorwürfe gegen die Lagerleitung: „Ich verstehe nicht, warum meine Familie kein Bett bekommt“, beklagt sich etwa der Syrer Mohammed, seinen Sohn Rahaf im Arm.
Weil ein Funktionär der Betreiberfirma ORS Afghane sei, würde diese Volksgruppe im Lager bevorzugt. „Die afghanischen Burschen bekommen alle ein Bett und ein Dach über dem Kopf.“
Gleich nach der Schlaf-Misere ist das Essen das wichtigste Thema. Tenor: unzumutbar und zu wenig. „Die drei Mahlzeiten, die wir bekommen, sind gerade mal so viel wie eine ordentliche“, erzählt Ali. Viele verpflegen sich daher in den Märkten der Umgebung.
Amnesty-Mission. Am Tag der Prüfung durch die Menschenrechtsgruppe Amnesty International war das anders: „An diesem Tag war das Essen einmal gut.“ Doch schon am nächsten Tag war wieder alles beim Alten. Der Fokus der Untersuchung lag offenbar insbesondere auf der medizinischen Versorgung und der Küche. Das Resultat: Der Menschenrechts-Trupp sei „schockiert und traurig“ gewesen, sagt ein Lager-Bewohner.
Noch rund eine Woche wird es dauern, bis Amnesty den Traiskirchen-Bericht veröffentlicht. „Noch werden Fakten gesammelt“, erzählt Team-Mitglied Daniela Goldman. Heute geht es im Innenministerium weiter (s. unten). (lae)
AMNESTY: Bericht kommt
Nach dem Lokalaugenschein im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen in der Vorwoche besucht die Menschenrechtsorganisation Amnesty International heute das Innenministerium. „Wir wollen beide Seiten hören“, erklärt Sprecherin Gesine Schmiedbauer. Vorstellig werden die Leiterin des Amnesty-Teams und ein Menschenrechts-Experte der Organisation.
Brisanter Bericht. Die Ergebnisse des Traiskirchen-Berichts werden mit Spannung erwartet – wie schlecht geht es den Flüchtlingen wirklich? Spätestens Anfang nächster Woche will Amnesty an die Öffentlichkeit gehen.
Reaktion. Im Innenministerium selbst gibt man sich noch abwartend: „Wir schauen, was Amnesty International uns an Fakten präsentieren wird“, so ein Sprecher.
86 Flüchtlinge waren in einen Lkw gepfercht
Die Autobahnen in Ostösterreich sind die aktuellste Bühne für die Flüchtlingstragödie. Das Wochenende war beispielhaft für das Elend, das die Schleppermafia mitverursacht: 132 Menschen wurden Samstag in nur 24 Stunden aufgegriffen, großteils in erbärmlichem Zustand. Einige wurden einfach an den Straßen ausgesetzt.
86-köpfige Flüchtlings-Gruppe: Acht Asylanträge
- A 4 (Bruck/Leitha). 50 Kilometer nach der ungarischen Grenze setzten die Schlepper 38 Flüchtlinge an einem Rastplatz bei Bruck an der Leitha (NÖ) ab. Viele irrten an der Ostautobahn weiter.
- A 1 (St. Pölten). In den Laderaum eines Lkw aus Ungarn zwängten Schlepper 86 Flüchtlinge. Nach zwölf Stunden Fahrt ohne Pause wurden sie bei St. Pölten befreit. Eine im achten Monat schwangere Frau musste mit Kreislaufkollaps ins Spital, konnte mittlerweile aber wieder entlassen werden.
Kurios: Laut niederösterreichischer Polizei stellten von den 86 nur acht (zwei Afghanen und sechs Pakistaner) Asylanträge. Der Rest, auch zahlreiche unbegleitete Minderjährige, wurde „mit Aufforderung zur Ausreise“ auf freien Fuß gesetzt, so die Asylkoordination der NÖ-Polizei.
- A 25 (Wels). Kurz vor 21 Uhr fand die Polizei acht Syrer, darunter ein zehnjähriger Bub, die an der Autobahn herumirrten. Auch sie waren ausgesetzt worden.
Grenzschutz. Die vielen Aufgriffe zeigen: Bislang brachten die Bemühungen, die EU-Außengrenze zwischen Ungarn und Serbien zu sichern, wenig Erfolg. Denn die Flüchtlinge kamen über den Balkan und Ungarn und ließen sich auch von dem neuen Grenzzaun nicht abhalten, den Ungarn an seiner Außengrenze baut.
(küe)
VIDEO: Bundesheer: Flüchtlingseinsatz?