Bundespräsident Van der Bellen erinnert Politik an Zweck, "dem Land zu dienen"
Am Heldenplatz in Wien sind am Nationalfeiertag 100 Bundesheer-Rekruten angelobt worden. Wegen der Corona-Pandemie fand der Festakt heuer wieder in deutlich abgespeckter Form statt. Bundespräsident Alexander Van der Bellen erinnerte seine Politikerkollegen in seiner Ansprache daran, dass es eigentlich auch der Zweck der Politik sei, "dem Land zu dienen". Kanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) appellierte erneut an die Bevölkerung, sich impfen zu lassen.
Publikum war auch in diesem Jahr kaum zugelassen, das Areal um den Festakt war abgesperrt. Ein paar Schaulustige fanden sich trotzdem ein, freilich nicht vergleichbar mit den Menschenmassen, die es in vergangenen Jahren zur Leistungsschau des Heeres in die Innenstadt gezogen hat. Die Bevölkerung konnte bei dem Event live übers Internet und Fernsehen dabei sein.
"Dem Land dienen"
Oberbefehlshaber Van der Bellen hob vor den 100 jungen Männern, die aus fast allen Bundesländern kommen, die Worte "Dem Land dienen" hervor. "Ich mag diesen Begriff, weil er von einer gewissen Demut getragen ist", meinte der Bundespräsident. Es gehe darum, anzuerkennen, dass es außerhalb der persönlichen Bedürfnisse noch einen höheren Zweck gebe. Die Rekruten seien insofern ein Vorbild, "und gerade die Politik soll sich an Ihnen ein Beispiel nehmen", befand das Staatsoberhaupt nach den jüngsten turbulenten politischen Wochen. "Denn auch der Zweck der Politik ist es, dem Land zu dienen."
Van der Bellen begrüßte abgesehen davon ausdrücklich das geplante Krisensicherheitsgesetz, dessen Eckpunkte die Regierung am Nationalfeiertag vorgestellt hatte. Das Bundesheer sei ein elementarer Faktor, um bei künftigen Krisen wie Blackouts oder Naturkatastrophen entschlossen agieren zu können - es müssten daher immer ausreichende Ressourcen gewährleistet sein, mahnte er.
Impf-Appell
Kanzler Schallenberg erklärte in seiner Rede, der Nationalfeiertag sei nicht nur ein Tag zum Feiern, sondern auch eine Gelegenheit zum "Innehalten, zur Reflexion und zur Selbstreflexion" - dies erscheine gerade in der jetzigen Phase sinnvoll. Diskussionen, auch hitzige und kontroversielle, seien das "Schmiermittel" jeder offenen, pluralistischen Gesellschaft. "Bei aller auch berechtigten Emotionalität" solcher Debatten sollte man aber nie vergessen, was für ein Glück es sei, in einem Land wie Österreich leben zu dürfen, meinte Schallenberg.
Dem eigenen Land dienen zu dürfen sei eine wunderschöne Aufgabe, aber auch eine große Verantwortung. "Eine Verantwortung, die wir uns auf allen Ebenen der Politik immer wieder in Erinnerung rufen müssen", befand der Kanzler. Keiner auf politischer Ebene dürfe glauben, dass er sich hier einseitig ausnehmen könne, dass es quasi "ein Opt-out oder ein Aussteiger-Programm von der gesellschaftspolitischen Verantwortung" gebe. Dies müsse sich bei der Pandemiebekämpfung, aber auch anderen Krisen wie dem Klimawandel zeigen, forderte Schallenberg. Bereits nach der Regierungssitzung hatte der Kanzler die FPÖ getadelt, weil sie gegen die Impfung ankämpfe.
Letztes Jahr an diesem Tag sei die Verfügbarkeit der Corona-Schutzimpfung noch eine Hoffnung gewesen, heute gebe es die Impfung, und sie wirke. Einmal mehr appellierte Schallenberg an alle, die zögerten oder unsicher seien: "Bitte lassen Sie sich impfen!" Man schütze damit auch Freunde, Familie und Arbeitskollegen. "Nur gemeinsam können wir diesem Spuk ein Ende bereiten."
Tanner attackiert die EU
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) erinnerte an die Leistungen der Soldatinnen und Soldaten während der Coronapandemie. "Sie waren immer da" - von der Übernahme eines Pflegeheims in der Steiermark über die Arbeit in den Impfstraßen bis zur Desinfektion von Gebäuden. Derzeit helfe das Heer bei den Waldbränden in Reichenau, und es werde wohl leider ein historischer Einsatz mit vier Hubschraubern werden, befürchtete Tanner. Man werde weiter in die Ausrüstung und Kasernen investieren, verwies Tanner auf die Budgetsteigerungen. Die Kernaufgabe des Heeres sei die militärische Landesverteidigung, die man nur gemeinsam schaffen werde - das gelte für jedes Land in der EU. "Die Europäische Union muss aufhören, nur über Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu reden und beginnen, diese Sicherheit der Bevölkerung auch zu liefern", forderte sie. Österreich sei bereit, seinen Beitrag zu leisten.
Am 26. Oktober 1955 hat der Nationalrat die immerwährende Neutralität beschlossen. Manche würden heute von einer "Scheinexistenz" der Neutralität sprechen, meinte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), "ein Untoter, der durch die österreichische Politik geht". Er sei nicht dieser Meinung, betonte Ludwig, denn die Neutralität sei als Teil der österreichischen Außenpolitik eine Möglichkeit, "Frieden zu schaffen in der Welt".
Mit dem Sprechen der Gelöbnisformel unter den Augen des Oberbefehlshabers Van der Bellen waren die 100 jungen Männer angelobt. Nach der Bundeshymne und der Europahymne gab es noch einen "Gruß der Luftstreitkräfte": Zwei Eurofighter und eine Hercules-Transportmaschine überflogen bei sonnigem Herbstwetter in einer Formation den Heldenplatz. Danach landeten vier Fallschirmspringer des Jagdkommandos direkt vor den Festgästen - da zückte sogar der eine oder andere Minister begeistert sein Handy zum Mitfilmen.