Lunacek in Richtung Kurz: 'Sie überholen die AfD rechts'
Einigermaßen höflich, in der Sache aber durchgehend kontroversiell ist das erste direkte TV-Duell zwischen ÖVP-Obmann Sebastian Kurz und Grünen-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek Montagabend auf Puls 4 verlaufen. Ob in der Europa-, der Migrations- oder der Gesellschaftspolitik, nirgendwo fanden die beiden Listenersten einen gemeinsamen Nenner.
Die Differenzen gingen schon los, als Lunacek bei der mittlerweile traditionellen Geschenkübergabe zu Beginn des Duells Kurz eine Torte mit einem lesbischen und einem schwulen Paar auftischte. Der damit verbundene Wunsch, dass die ÖVP im Parlament die Abstimmung über eine Öffnung der Ehe für Homosexuelle freigeben sollte, wurde von Kurz zurückgewiesen. Der VP-Chef betonte, immer gegen jegliche Form der Diskriminierung gewesen zu sein. Es sei aber legitim und richtig, dass man im Namen zwischen Verpartnerung und Ehe unterscheide: "Das haben wir weitgehend geschafft."
Ausländerpolitik
Nicht besser erging es Lunaceks Ansinnen, die Parteienfinanzierung auch an der Anzahl der Frauen im Parlament zu bemessen. Da könnte man auch Quoten für Junge und Alte oder für Abgeordnete mit Migrationshintergrund machen, wies Kurz das Grüne Begehren ab. Der ÖVP-Chef ist überzeugt, mit dem von seiner Partei etablierten Reißverschluss-System und starken Frauen im Vorzugsstimmen-Wahlkampf den Anteil weiblicher Mandatare seitens der Volkspartei zu heben.
Gar nicht unerwartet kam, dass in der Ausländerpolitik, die von Kurz stark forciert wurde, die Unterschiede wohl mit der meisten Polemik vorgetragen wurden. Lunacek hielt dem Ressortchef vor: "Als Integrationsminister sind sie gescheitert." Kurz versuche immer nur die Schuld auf andere zu schieben, weil er die Stimmen der Freiheitlichen bekommen wolle. Der VP-Chef hielt Lunacek und den Grünen "falsch verstandene Toleranz vor". Dass er nicht noch mehr auf den Weg gebracht habe, sieht der Integrationsminister darin begründet, dass er ständig behindert worden sei und seine Positionen in der Flüchtlingspolitik erst langsam salonfähig geworden seien.
Weit voneinander entfernt waren die beiden auch in der Europa-Politik. Während die EU-Abgeordnete Lunacek eine Vertiefung der Union bewarb, sprach sich der Außenminister für ein "Europa der Subsidiarität" aus. Verteidigt wurde von Kurz sein Vorschlag, die Mindestsicherung für Zuwanderer aus der Union erst nach fünf Jahren zu gewähren: "Sonst gefährden wir mittelfristig die Niederlassungsfreiheit", sieht der VP-Chef doch sinkende Akzeptanz in der Bevölkerung. Lunacek wiederum hielt Kurz vor, die deutsche AfD sogar rechts zu überholen. Der einzige Punkt, wo Lunacek gegen eine Vertiefung ist, ist der militärische Bereich. Für die Diskussion logisch war der VP-Obmann gerade in der Sicherheitspolitik für eine stärkere Zusammenarbeit in Europa - so weit das die Neutralität eben zulasse.
Mehr Gemeinsamkeiten mit Strolz
Nach der Konfrontation mit Grünen-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek hat sich ÖVP-Chef Sebastian Kurz Montagabend auf Puls 4 noch ein durchaus lebhaftes Duell mit NEOS-Chef Matthias Strolz geliefert. Trotz ähnlicher Outfits waren die beiden Spitzenkandidaten bemüht, ihre inhaltlichen Unterschiede zu zelebrieren, Untergriffe blieben aber weitgehend aus.
Die Geschenke zu Beginn fielen durchaus familiär aus, wenn auch auf unterschiedliche Art: Kurz übergab dem früheren ÖVP-Mitarbeiter Strolz einen Gutschein für einen Familienausflug ins Planetarium. Strolz hatte für den jungen Parteichef eine "Familienfoto"-Collage mit seinen fünf Vorgängern als ÖVP-Chef, seit er "Spitzenfunktionär" ist, dabei.
Immer wieder verfielen die beiden Kontrahenten im Lauf der Diskussion ins Du-Wort und gönnten sich auch den einen oder anderen Schmäh. So gab Kurz eine Anekdote aus einem Rhetorik-Seminar zu besten, als Trainer Strolz stets gepredigt habe: "'Ihr müsst's breitbeinig stehen wie Cowboys.' Ich mach das noch immer nicht - ich hoffe, man versteht mich trotzdem." Für eine gemeinsame Wahlplattform reichte die kurze gemeinsame Vergangenheit trotzdem nicht, wiewohl man darüber gesprochen habe, wie Strolz einmal mehr bestätigte. Aber: "Es hat schlussendlich nicht gefunkt."
Nicht ganz einer Meinung sind Kurz und Strolz etwa beim Thema Migration und Asyl. Man müsse die illegale Migration stoppen und könne nicht alle aufnehmen, wiederholte Kurz sein Mantra. Auch Strolz sprach sich für Reformen im Asylsystem aus, betonte aber, der Unterschied zu Kurz sei, "ich mach' keine Internierungslager", sondern Registrierzentren an den EU-Außengrenzen. Der ÖVP-Chef entgegnete, wenn man jetzt in Nordafrika Asylzentren schaffe, wo jeder einen Antrag stellen könne, löse man "unfassbare Migrationsströme in Afrika" aus. Strolz hielt Kurz mit dem Hinweis darauf, dass die ÖVP immerhin seit 30 Jahren in der Regierung sei, eine gewisse Untätigkeit vor. "Vor 30 Jahren war ich ein Jahr alt", konterte Kurz kühl.
Entwicklungszusammenarbeit
Richtig aneinander gerieten die beiden dann beim Thema Entwicklungszusammenarbeit. Kurz wollte sich nicht vorwerfen lassen, nie bei den entsprechenden Ratssitzungen gewesen zu sein: Man sei bei allen Sitzungen vertreten, aber er nehme grundsätzlich nicht an Sitzungen teil, bei denen schon alles ausgemacht sei, denn da sei es ihm schade um seine Zeit. Außerdem habe er als Außenminister eine "Trendwende" bei der Entwicklungszusammenarbeit geschafft. Strolz behauptete entrüstet, dass die Regierung jährlich mehr Geld für Werbung und Inserate ausgebe als für Entwicklungszusammenarbeit für ganz Afrika - mit Zahlen belegen konnte er dies auf Nachfrage allerdings nicht.
In Sachen Reformwillen stellte Strolz seine NEOS als "Original" dar - bei Kurz sei er sich nicht sicher, wie ernst er es wirklich meine, oder ob es nur um Inszenierung gehe. So sei die ÖVP zuletzt nicht bereit gewesen, im Parlament die Kalte Progression abzuschaffen, obwohl es im schwarzen Wahlprogramm stehe, beklagte Strolz. "Wir wollen das beide", räumte Kurz ein. Der Grund, warum man das jetzt nicht beschlossen habe, sei nicht "Wahltaktik", aber er wolle keine budgetrelevanten Beschlüsse kurz vor einer Wahl fassen. Dass man Letzteres sogar gesetzlich festlegen könnte, konnte sich dann auch Strolz vorstellen.
Beim Thema Pensionen gab sich Strolz dann wieder angriffig: "Man weiß ja nicht, wo man dran ist bei der ÖVP", verwies er etwa auf die geänderte Linie der ÖVP zur vorzeitigen Angleichung des Frauenpensionsalters. "Sie verraten hier die Jungen" und das sei "verantwortungslos", warf er Kurz mangelnden Reformwillen vor. Dieser betonte wiederum, dass er sehr wohl Handlungsbedarf sehe. Es brauche Anreize für längeres Arbeiten und die Abschaffung von Pensionsprivilegien.