Die einfachen Leute fühlen sich von „den Politikern“ nicht mehr vertreten, ja, nicht einmal wahrgenommen, und deshalb sind sie wütend – darüber herrscht heute weitgehende Einigkeit.
Da drängen sich aber sofort zwei Fragen auf. Erstens: Wer das denn überhaupt sein soll, die „einfachen Leute“? Zweitens: Und warum sind sie so wütend?
„Einfache Leute“, das sind einmal jene, die nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen sind – also eher Kleinverdiener, aber nicht nur. Arbeiter und Arbeiterinnen, bis hin zur Mittelschicht im Einfamilienhaus mit zwei Autos vor der Tür. Leute, die sich als „die Normalen“ sehen und nicht jeden modischen Trend mitmachen wollen.
Irgendwie ist es eine verschwommene Vorstellung, die da kursiert, wenn von „einfachen Leuten“ die Rede ist. Letztlich sind wir doch alle einfache Leute, wenn wir nicht gerade zu den Superreichen gehören. Und komischerweise sind darunter eher selten der türkische Berufsschüler, der serbische Installateur oder die syrische Mitarbeiterin beim Post-Shop gemeint – obwohl die ja alle Charaktermerkmale haben, die oben aufgezählt sind, nicht auf die Butterseite gefallen, hart arbeitend, sehr oft geringes Einkommen.
Wer viel herumkommt und mit vielen Leuten redet, weiß außerdem: Manche sind wütend, manche aber auch nicht. Zwischen „eh zufrieden“, „bisschen unzufrieden“ und „richtig zornig“ findet man in der wirklichen Welt alle möglichen Graustufen.
Natürlich haben „die einfachen Leute“ Grund genug, wirklich wütend zu sein. Normale Arbeiter und Angestellte waren früher – „das Volk“ genannt – jene Schicht, die das Land getragen haben. Arrogant kommen durfte denen niemand. Sie konnten sich anerkannt fühlen und hatten auch Sicherheit im Leben. Aber mit dem gesellschaftlichen Wandel und in einer Wirtschaft, wo Konkurrenz alles ist, hat sich das geändert. Die Menschen fühlen sich als Instrumente behandelt, als Kostenstellen auf zwei Beinen, die man einfach austauscht, wenn man sie nicht mehr braucht. Und das spüren viele. Fast jeder arbeitet in Firmen, die dauernd rationalisieren, die Löhne steigen nicht mehr, die Kosten schon, und fast jeder weiß, dass es ihn morgen auch erwischen kann. Die Leute sagen resignierend: „Ich kümmere mich nur mehr um mich selbst.“
Die Menschen haben zusätzlich das Gefühl, dass sie gar nicht vorkommen. Erst das führt zu Wut. Und zu einem Konkurrenzgefühl, das erst das Migrationsthema so groß macht: weil ja dann jeder Ankommende ein zusätzlicher Konkurrent ist – um Wohnungen, Jobs, Bildung für die eigenen Kinder.
„Man muss die Leute gern haben“, war das Motto von Bruno Kreisky. Damit hat er genau diese Leute gemeint, die meist das Herz am rechten Fleck haben, die aber auch erbost sein können, wenn sie den Eindruck haben, dass es nicht gerecht zugeht, und wenn sie nur mehr dauernd gegen den Abstieg ankämpfen. Und die dann manchmal aus Wut Parteien wählen, von denen sie insgeheim eh wissen, dass es ihnen unter denen noch schlechter gehen wird.
Ein Kommentar von oe24.TV-Kommentator Robert Misik