Die Österreichische Krebshilfe kritisiert Tipps der WKO zur Kündigung im Krankenstand.
Eine "Anleitung" zur Kündigung im Krankenstand auf der Website der Österreichischen Wirtschaftskammer (WKO) sorgt derzeit für Aufregung. Auf der inzwischen offline genommenen Seite der WKO hieß es: "Befindet sich ein Arbeitnehmer im Krankenhaus, ist eine schriftliche Kündigung ins Krankenhaus zu übersenden. Eine durch die Post zugestellte Kündigung gilt dann als wirksam zugestellt, wenn der Kündigungsbrief auf dem Nachtkästchen deponiert bzw. in einem für die Patienten bestimmten Postfach abgegeben wird."
"Verstörend" – Kritik an Kündigungs-Tipps
Die Österreichische Krebshilfe reagiert empört auf diese Kündigungs-Tipps und ist alarmiert. "Wenn die WKO bei ihren Mitgliedern offen dafür 'wirbt', wie Arbeitgeber:innen ihre Arbeitnehmer:innen im Krankenstand möglichst einfach und ohne persönliche Berührungspunkte im Spital kündigen können, empfinden wir das, gelinde gesagt, als äußerst verstörend und grenzwertig," so Krebshilfe-Präsident Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda.
"Die Österreichische Krebshilfe bedankt sich ausdrücklich bei den vielen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, die an Krebs erkrankte Mitarbeiter:innen nicht fallen lassen und sie im Krankenstand nicht kündigen – obwohl es gerade in kleinen (Familien-)Unternehmen mit wenigen Mitarbeiter:innen oft schwer ist, diese Zeit arbeitstechnisch 'durchzustehen'. Krebspatient:innen dürfen jedoch nicht von der sozialen Verantwortung von Arbeitgeber:innen abhängig sein. Sie fordern zurecht, dass ihnen nicht inmitten ihrer kräfteraubenden Therapien und psychischen Hochschaubahnen auch noch der Arbeitsplatz entzogen wird", schreibt die Krebshilfe in einer Aussendung.
Kein genereller Kündigungsschutz im Krankenstand
Die Krebshilfe weist darauf hin, dass in Österreich derzeit kein genereller Kündigungsschutz im Krankenstand besteht. Krebspatienten hätten zwar das Recht, einen Antrag auf einen "begünstigten Behindertenstatus" zu stellen – dieser schütze jedoch nur "bedingt" vor einer Kündigung. Sollte eine Kündigung erfolgen, muss diese zwar vor ein Schiedsgericht beim Sozialministerium und mit dem Arbeitgeber verhandelt werden – die Krebshilfe ortet aber eine Reihe von Problemen.
Ein Beispiel von vielen
Werden Krebspatienten zusätzlich zum Schock der Diagnose, zu belastenden medizinischen Therapien und zur schwierigen emotionalen Verarbeitung ihrer schweren Erkrankung völlig unerwartet mit der Kündigung ihres vermeintlich sicheren Arbeitsplatzes konfrontiert, ist die Krebshilfe oft ihre erste Anlaufstelle – so war es auch bei Andrea. "Ich war 45 Jahre und seit 9 Jahren als Buchhalterin in einem mittelständischen Betrieb beschäftigt. Aufgrund meiner Brustkrebserkrankung, der Operation und der belastenden Chemotherapien befand ich mich einige Monate im Krankenstand, als unerwartet die schriftliche Kündigung ins Haus flatterte. Ich fiel aus allen Wolken. Nie hätte ich damit gerechnet. Bis dahin war mir auch nicht bekannt, dass es überhaupt möglich ist, im Krankenstand gekündigt zu werden."
Angst vor einer Kündigung
Laut Krebshilfe geht es nicht "nur" um effektiv ausgesprochene Kündigungen im Krankenstand sondern vor allem auch um die Angst von Krebspatient:innen VOR einer Kündigung. "Wir erkennen voll Sorge, dass immer mehr Patient:innen aus Angst vor Kündigungen trotz kräfteraubender Krebstherapien weiter arbeiten gehen", so Krebshilfe-GF Doris Kiefhaber. "Das führt aber unweigerlich dazu, dass sie sich psychisch und physisch völlig überfordern".
Krebshilfe fordert gesetzlichen Schutz
Die Österreichische Krebshilfe sieht mehrere Möglichkeiten, Krebspatienten vor einer Kündigung im Krankenstand zu schützen - etwa durch eine Angleichung an den Schutz vor Kündigung von Schwangeren oder durch Sperrfristen für Kündigungen für die Dauer der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit (Schweizer Modell). "Aus unserer Sicht wäre es bei entsprechendem politischen Willen einfach, den dringend notwendigen Schutz vor Kündigung für Krebspatient:innen auch in Österreich zu gewährleisten", so Sevelda. "Es ist ein Gebot der Stunde, dass dieser Schutz gesetzlich verankert wird."