Das sagt ÖSTERREICH

Großes Erdbeben am Wahl-Sonntag: Der Wähler hat immer recht …

Teilen

Ein Kommentar von ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner.

Die goldene Regel der Politik lautet: Der Wähler hat immer recht – egal wie verrückt, vielleicht sogar absurd seine Entscheidung auf den ersten Blick auch ausfallen mag.

Österreich hat gestern einen Wahl-Sonntag erlebt, bei dem die Politik ein kräftiges Erdbeben verzeichnet hat – und bei dem die Regierenden feststellen mussten, dass die Wähler nicht mehr berechenbar sind. Mehr noch: Die Wähler sind derzeit tief frustriert, in großer Zahl sogar stinksauer. Und das führt bei Wahlen zu immer überraschenderen Ergebnissen:

In Oberösterreich hat eine Nicht-Partei, die vor zwei Wochen noch kein Mensch gekannt hat – ohne Programm, ohne Spitzenkandidaten, vor allem ohne einen Euro Wahlkampfbudget – aus dem Stand heraus über 6 % der Stimmen geholt.

Die MFG, der Sammel-Verein der Impf-Gegner, hat mit ihrer radikalen Ablehnung der Corona-Impfung die Landtagswahl zu einer Impf-Wahl gemacht und die beiden Großparteien ÖVP und FPÖ kräftig abgeräumt.

Den Landeshauptmann Thomas Stelzer hat die Partei der Impf-Gegner letztlich vermutlich die erhoffte 40-%-Marke gekostet. Die ÖVP hat zwar ein Prozent und ein Mandat zugelegt – aber das ist weniger als ­erhofft und auch weniger als ein „Landes-Kaiser“ mit einer durchaus guten Bilanz schaffen muss. Mikl-Leitner und Doskozil hatten im Vergleich fast 50 Prozent.

Die FPÖ wurde von der Impfgegner-Partei überhaupt brutal zerlegt. Ein Drittel der Wähler hat sich verabschiedet – ein großer Teil zu den Impf-Gegnern, obwohl die (eigentlich ein Horror für jeden aufrechten FPÖ-Wähler) sogar eine Mindestsicherung für Asyl-Suchende im Programm haben.

Der FPÖ hat letztlich das Anti-Impf-Furioso ihres Obmanns Herbert Kickl nicht viel geholfen. Die Wähler glauben den etablierten Parteien (und das ist letztlich auch die FPÖ) nicht mehr, sie wandern in Scharen zu vermeintlichen Protest-Parteien – egal wie absurd die auch sein mögen.

Besonders dramatisch hat sich das gestern in Graz gezeigt: Ein Drittel der – immer als so bürgerlich beschriebenen – Grazer hat dort gestern kommunistisch gewählt. Man kann es kaum fassen, aber es ist wahr: Fast 30 % der Grazer wählten die Partei von Stalin, Honecker und Putin, um ihren Protest gegen die etablierte Politik in Österreich auszudrücken. Und das obwohl ihre Stadt – zumindest nach einem österreichweiten Eindruck – vom legendären Bürgermeister Siegfried Nagl über eine Rekordzeit von 18 Jahren gut regiert wurde.

Graz ist modern, Graz ist erfolgreich, Graz ist kulturell super – aber den Wählern war das zu wenig: Sie wollen offenbar mehr Menschlichkeit, mehr soziale Gerechtigkeit in der Politik – all das, wofür die authentische Kummerl-Spitzenkandidatin Elke Kahr durchaus steht. Vor allem aber wollen die Wähler offenbar auch neue Inhalte in der Politik: Zum Beispiel endlich eine Offensive im sozialen Wohnbau mit leistbaren Mieten und eine Offensive gegen sinkende Löhne bei ständig steigenden Preisen.

Graz ist also ab heute kommunistisch, bekommt eine links-links-grüne Regierung mit einer kommunistischen Bürgermeisterin. Ganz Europa amüsiert sich und unkt: Die spinnen, die Grazer!

Zum Lachen ist das alles freilich nicht – sondern es ist ein Alarmzeichen für die Stimmung im Land: Die Wähler sind so sauer über unsere Politiker, dass sie offenbar sogar zu Stalin und Putin wechseln (wenn sie das sympathische Gesicht von Elke Kahr haben) – oder zu einer obskuren Anti-Impf-Partei.

Aber auch in diesem Fall gilt: Der Wähler hat immer recht – und die regierenden Politiker müssen jetzt ganz rasch analysieren, was diese Wähler ihnen sagen wollten … 

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.