Ein Kommentar von ÖSTERREICH- und oe24-Chefredakteur Niki Fellner.
Die Stimmung zwischen ÖVP und Grünen ist in den letzten Wochen merklich abgekühlt. Vorläufiger Höhepunkt des „Kalten Krieges“ zwischen Kurz und Anschober: Der Minister hat den Kanzler diese Woche in fast schon stalinistischer Manier anrennen lassen und jegliche Form von Verschärfungen der Corona-Maßnahmen blockiert. Das ist nicht nur strategisch unklug (die ÖVP wird in Kürze wohl blutige Rache nehmen), sondern angesichts des drohenden Corona-Anstiegs im Herbst auch gesundheitspolitisch höchst riskant.
Damit droht Türkis-Grün ab sofort zu einer „Großen Koalition 2.0“ zu werden, in der sich die „Partner“ die Hackeln gegenseitig ins Kreuz werfen. Und der Wien-Wahlkampf im kommenden Monat wird definitiv auch nicht dazu beitragen, dass sich das Verhältnis zwischen ÖVP und Grünen wieder entspannt. Ganz im Gegenteil.
Anschobers Blockade-Haltung bei den Corona-Maßnahmen zeigt einmal mehr ein Problem österreichischer Regierungen auf: Der Bundeskanzler hat bei uns – im Gegensatz zur deutschen Kanzlerin – keine Richtlinienkompetenz. Das heißt: Er kann seinen Ministern (zumindest rechtlich) nichts anschaffen. Das gehört geändert – ein Kanzler muss (so wie ein CEO in einem Unternehmen) gerade in Krisenzeiten die Letztentscheidung treffen und auch verantworten. Ein Kanzler-Machtwort würde gerade dem Gesundheitsminister nicht schlechttun.