Das sagt ÖSTERREICH

Wollen wir einen Ersatz-Kaiser? Oder lieber ein Protest-Votum?

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Ein Kommentar von ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner.

Lange haben wir auf eine spannende Bundespräsidentenwahl gehofft – jetzt deutet alles auf einen überlegenen Sieg von Van der Bellen schon im ersten Wahlgang hin.

Die Umfrage-Institute haben sich bei den jüngsten Wahlen zwar schon mehrmals spektakulär geirrt und das schöne Wetter könnte die Wahlbeteiligung so tief drücken, dass die Wahl zum Lotteriespiel wird, …

... aber den sechs Herausforderern von Van der Bellen hat im Finish die Power gefehlt, um den Möchtegern-Hofburg-Kaiser mit seinem Schlafwagen-Wahlkampf wirklich unter Druck zu setzen. Es sieht so aus, als würde Van der Bellen mit seinem Hunderl in die zweite Amtszeit spazieren.

Tatsächlich spricht viel für ihn und gegen seine Herausforderer: Die Zeiten sind so ­unsicher geworden, dass bei einem Bundespräsidenten natürlich Erfahrung, diplomatisches Geschick und eine ruhige Amtsführung gefragt sind.

Vollstes Verständnis für jeden Protestwähler

Van der Bellen hat uns zwar die schlechteste Regierung seit Langem eingebrockt, dazu den schlechtesten Gesundheitsminister (der sein Hausarzt war), er war viel zu lange ein Putin-Fan, er schwieg zu Impfpflicht, Korruption und Teuerung. Aber: Er hat zumindest keine wirklich dramatischen Fehler gemacht – unser Land steht noch …

Gleichzeitig habe ich vollstes Verständnis für jeden, der in diesem ersten Präsidenten-Wahlgang (bei dem’s ja um nicht mehr geht als um eine Stichwahl) ein Zeichen des Protestes setzen will.

Dieses Land fährt unter der Verantwortung dieser Regierung und dieses in der Hofburg schlafenden Bundespräsidenten zunehmend gegen die Wand.

Wir haben mit 10,5 % die höchste Inflation Europas, und die Umweltministerin hat die Frechheit, den Benzinpreis dramatisch zu erhöhen, um an­geblich die Umwelt zu retten. Der Präsident schweigt dazu.

Er findet kein Wort, keinen Vorschlag gegen die Teuerung, die mittlerweile die Mehrheit unserer Bevölkerung mehr als schmerzlich, sehr oft existenziell trifft. Er könnte Preis­deckel fordern, mehr Geld für die Ärmsten – aber er schweigt. So wie er zur Impfpflicht, zur Korruption, zu allen Skandalen geschwiegen hat.

Selbstverständlich ist jede Stimme für einen der Herausforderer von VdB eine Protest-Stimme gegen die Regierung, gegen Grüne und ÖVP, gegen das System bis hin zum ORF. Und selbstverständlich ist es Zeit, dieses Land wachzurütteln.

Die ganz Wütenden werden Gerald Grosz wählen und hoffen, dass er die Regierung wirklich am ersten Tag seiner Amtszeit entlässt. Die eher schaumgebremst Wütenden werden Tassilo Wallentin wählen und auf seine Reformansagen hoffen. Die zornigen Impfgegner werden Michael Brunner wählen und sich so an der Regierung rächen. Die frustrierten Jungen werden Marco Pogo alias Dominik Wlazny wählen und auf mehr Ehrlichkeit und frischen Wind in der Politik hoffen. Und die notorischen Protestwähler werden Walter Rosenkranz von der FPÖ wählen und hoffen, dass mit ihm Polit-Rambo Kickl mit der Regierung endlich Schlitten fährt.

Mein Gefühl sagt mir nur: Den Wählern – die immer Recht haben – wird wohl wieder einmal der Mut zum „Umsturz“ fehlen. Der Österreicher protestiert und jammert gerne – im Endeffekt will er aber wohl doch, dass alles beim Alten bleibt.

Die sechs Gegenkandidaten zu VdB, vor deren Wahlkampfeinsatz ich höchsten Respekt habe, sind den meisten Österreichern wohl doch politisch zu unerfahren und in ihren Ideen zu radikal, um ihnen in schwierigsten Zeiten mit einem im schlimmsten Fall drohenden Weltkrieg die Staatsführung anzuvertrauen.

Umso bedauerlicher ist es, dass SPÖ und ÖVP aus Feigheit, billigem politischen Opportunismus und völliger Fehleinschätzung der VdB-Stärke diesen Wahlkampf zur Farce gemacht haben. Noch nie waren die Großparteien ÖVP und SPÖ so desolat (moralisch und finanziell), dass sie beim Kampf um das wichtigste Amt im Staat freiwillig aufgegeben haben.

Die SPÖ hätte mit einem Peter Kaiser, aber auch mit einem Hans Peter Doskozil zwei ideal-typische Kandidaten für die Hofburg gehabt, die VdB demoliert hätten. Pamela Rendi-Wagner hat diese Chance stümperhaft verspielt.

Auch die ÖVP hätte mit der intern favorisierten Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler eine grandiose erste Präsidentin gehabt. Sie hat sich – aus lauter Angst, Van der Bellen könnte Nehammer unter Druck setzen – für einen Präsidenten entschieden, der sie (ebenso wie Kanzler Kurz) bei nächster Gelegenheit mit einer Ampel­koalition aus dem Kanzleramt verjagen wird. Kurzsichtiger und dümmer hat eine Partei ­selten gehandelt.

Vielleicht ist Ersatzkaiser gar nicht das Schlechteste

So wird unser Land am Sonntag wohl ohne viel Begeisterung in eine zweite Amtszeit von Van der Bellen stolpern. Es gibt – zugegeben – Schlimmeres.

Wir werden einen 80-jährigen Präsidenten bekommen, der immer mehr an Kaiser Franz Joseph erinnert, der sich seinen Untertanen hie und da mit seinem Hunderl zeigt – der aber vorwiegend seine Tschick in der Hofburg raucht, zu Teuerung und Korruption weiter schweigt und seinen grünen „Hofnarren“ Gewessler und Rauch applaudiert.

Unser Trost: Vielleicht ist ein Ersatzkaiser in der Hofburg in so bewegten Zeiten gar nicht das Schlechteste, vielleicht sind eine ruhige Hand und eine beruhigende Stimme in diesen Zeiten besser als Aufgeregtheit und Protest.

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