Olympia-Insider

Bilanz: Das waren meine Corona-Spiele

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Reporter Philipp Scheichl schildert seine Eindrücke von den Winterspielen in Peking.

Eine den Tränen nahe Teresa Stadlober nach ihrer Bronze-Medaille, eine über beide Ohren strahlende Anna Gasser nach ihrem Gold-Coup oder ein fassungsloser Johannes Strolz, der ein Ski-Märchen schrieb. Es sind diese Momente, die mich für viele Strapazen in China entschädigen. Die österreichischen Erfolge machen für kurze Zeit vergessen, in was für einer Welt wir uns hier befinden.

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Schon bei der Landung werde ich von in weißen Ganzkörperanzügen gekleideten "Marsmännchen" empfangen. "Go, go, go", brüllen sie. Das kann ja heiter werden. Gleich am Flughafen geht es zum PCR-Test. Es sollte in den kommenden 21 Tagen zum täglichen Ritual werden. Die Busfahrt vom Flughafen zum Hotel (unter Polizeischutz) ins nordische Dorf Zhanjiakou dauert fünf Stunden, empfangen werden wir von einer Eiseskälte, -21 Grad.

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Nur unwesentlich wärmer ist es im Hotel. Kameramann Sebastian und ich werden in ein 15m2 großes Doppelbettzimmer einquartiert, ohne Heizung. Sofort geht's zum Umbuchen, schnell läuft hier aber nichts. Die Verantwortlichen - das spüren wir während unseres Aufenthalts - sind bemüht und freundlich, sprechen aber kaum Englisch. Trotz Translator ist Geduld gefragt, bis es mit der Kommunikation endlich klappt.

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Dorf: Kein Kontakt nach außen, Fußweg verboten

Viel Austausch mit Einheimischen ist nicht möglich. Das wollen die Organisatoren auch nicht. Auf den rund zweieinhalbstündigen Bus-Fahrten zu den Ski-Pisten in Yangping gibt es für Journalisten abgeschottete Toiletten. Der Closed Loop - die Blase für Sportler und Medien - ist völlig von der Außenwelt abgeschottet. Distanzen dürfen nur mit dem Bus zurückgelegt werden. Auch, wenn der Parkplatz nur 100 Meter vom Hotel entfernt liegt.

Einmal wage ich den Versuch, gehe zu Fuß. Fehler! Beim Eingang vor dem Hotel stoppt mich die Polizei, ich werde wie ein Schwerverbrecher behandelt. Ein Verhör, ein Abfotografieren unserer Akkreditierungen, dann komme ich mit einer Verwarnung davon.

Die Eingangsfrage "Where do you come from?" hätten sie sich sparen können. Hier ist ohnehin alles Video-überwacht, Kameras folgen auf Schritt und Tritt: Im Bus, im Lokal, im Hotel-Lift, auch auf den Straßen stehe ich unter ständiger Beobachtung.

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Putzfimmel: Alles wird auf der Stelle desinfiziert

Über allem schwebt Corona. Neben täglichen Tests muss ich durchgehend Maske tragen, auch im Freien. Die chinesischen Marsmännchen sind mit Desinfektionsmittel bewaffnet. nichts ist sicher vor dem Spray. Sogar Parkplätze und die Busse von außen. Surreal. Sobald man am Esstisch aufsteht, wird der Platz inklusive der Plexiglasscheiben am Tisch gereinigt.

Apropos Essen: Die Chinesen sind Weltmeister des Glutamin. Es ist wohl das einzige Land, in dem man kaum isst und trotzdem zunimmt. Die Qualität? Mäßig. Schon in der Früh gibt es Hühnerfleisch mit Reis oder Fleischknödel. Klingt gut, ist es aber nur bedingt. Seit Tagen weiß ich: Das Erste, was ich in Österreich machen werde: Ab ins Wirtshaus!

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Stadien: Tolle Arenen - Nachhaltigkeit fraglich

Die Sportstätten in China sind dank Milliarden-Investitionen imposant. Vor allem die Bob-Bahn und die Big-Air-Anlage mitten im Pekinger Industrie-Viertel haben es mir angetan. Ob es tatsächlich nachhaltige Spiele sind, wie zuvor geworben wurde, wage ich aber zu bezweifeln. Peking ist eine der trockensten Regionen der Welt, Schnee fällt kaum. So sind Winteranlagen auf Dauer nicht zu benutzen. Ich habe das "Glück", Historisches zu erleben: Den ersten Schnee des Winters. Sofort rücken Marsmännchen aus, befreien die Straßen vom Weiß - mit Besen! Interessante Methode ...

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Kein Flair: Ahnungslose Fans & Tablet-Interview

Die Wettkämpfe sind an Spannung kaum zu überbieten. Schade, dass hier kaum jemanden dafür zu begeistern ist. Die wenigen Zuschauer kennen sich nicht aus, für viele ist es der erste Kontakt mit Skispringen oder Biathlon. Ein DJ versucht, auf der Tribüne einzuheizen. Mit mäßigem Erfolg. Die Chinesen rufen bei jedem einheimischen Athleten "Jiayou". Frei übersetzt: "Gib Öl." Alles klar ...

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Der direkte Kontakt zu den Sportlern gestaltet sich als schwierig: Ein Österreicher-Haus wie sonst üblich gibt es nicht, in der Mixed-Zone ist ein Abstand von zwei Metern Pflicht. Um dennoch etwas zu hören, kommen Volunteers mit Tablets, legen die Handys darauf und halten es den Sportlern unter die Nase.

Olympia-Flair kommt bei mir unter diesen Umständen nicht auf. Zu weit liegen die drei Dörfer auseinander. Die Masken und Corona bieten kaum eine Möglichkeiten, sich auszutauschen. Dass soziale Medien wie Whatsapp, Facebook, oder Twitter nur spärlich funktionieren, macht es nicht besser. Auch am Abend ist wenig los, Sperrstunde: 24 Uhr.

Fazit: Freude auf daheim, positive Seite überwiegt

Nach drei Wochen freue ich mich auf zu Hause. Wie es Anna Gasser sagte: "Wenn man so lange hier ist, weiß man noch mehr zu schätzen, was man an Österreich hat." Recht hat sie. Dennoch will ich das Abenteuer nicht missen. Dank großartiger emotionaler Erfolge unserer Sportler überwiegen die positiven Erinnerungen!

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