"Vatileaks"-Prozess:

1,5 Jahre Haft für Ex-Diener des Papstes

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Urteil im Vatileaks-Skandal: Wird Papst Benedikt Kammerdiener bald begnadigen?

"Ich bin kein Dieb – ich habe doch nur aus Liebe zum Papst gehandelt“, so hatte Paolo Gabriele, ehemaliger Kammerdiener von Benedikt XVI., vor dem Urteil um Gnade gefleht. Doch die drei Vatikan-Richter schenkten ihm keinen Glauben und verurteilten Gabriele zu 18 Monaten Haft. Der Staatsanwalt hatte in seinem Schlussplädoyer sogar drei Jahre Gefängnis gefordert.

Der Schuldspruch ist der vorläufige Schlusspunkt der Vatileaks-Affäre, die den Vatikan bis in die Grundfesten erschüttert hat. Der Kammerdiener hatte zu Prozessbeginn gestanden, vertrauliche Unterlagen des Papstes kopiert und an den Journalisten Gianluigi Nuzzi weitergegeben zu haben. Ganze 81 Kisten voll mit Dokumenten waren bei einer Hausdurchsuchung in Gabrieles Wohnung sichergestellt worden. Nuzzi hatte mithilfe dieser Papiere ein Enthüllungsbuch geschrieben (Seine Heiligkeit).

Darin geht es um finstere Machenschaften und Machtkämpfe in Benedikts Umgebung, Geldwäsche in der Vatikanbank und sogar ein Mordkomplott gegen den Papst.

Urteil ist gefallen, doch der Fall ist noch nicht aufgeklärt
Gabriele war schon im Mai festgenommen werden und musste wochenlang in einer Zelle des vatikanischen Gefängnisses absitzen. Nach seinen Angaben unter unmenschlichsten Bedingungen. Der Haftraum sei so klein und eng gewesen, dass er nicht einmal seine Arme ausstrecken konnte. Später wurde er in den Hausarrest versetzt.

Beim Prozess gab sich der Kammerdiener reuig, betonte aber immer wieder, nichts gestohlen zu haben. Er habe die Dokumente nur weitergegeben, um dem Papst zu helfen und ihn auf die schrecklichen Intrigen in seinem Kreis aufmerksam zu machen. Er hätte die Kopien bereits seit 2010 gesammelt, weil ihn die düsteren Vorgänge im Vatikan in Sorge versetzt hätten.

Die Reue wurde von den drei Richtern als strafmildernd angesehen. Gabriele nahm das Urteil erst regungslos zur Kenntnis; als er den Verhandlungssaal verließ, war ihm allerdings große Erleichterung anzusehen. Er begrüßte die Anwesenden, darunter seinen Vater, und lächelte zum ersten Mal seit Prozessbeginn.

Das Urteil ist gesprochen, doch viele Fragen bleiben offen: Gabriele behauptete immer, Einzeltäter gewesen zu sein – doch das wird bezweifelt.

Die Haft müsste Gabriele in einem italienischen Gefängnis verbringen. Es wird allerdings erwartet, dass Papst Benedikt den tiefgläubigen Mann schon bald begnadigen wird.


Die Veröffentlichung vertraulicher Informationen aus dem Umfeld des Papstes hält den Vatikan seit Monaten in Atem. Nun ist der Ex-Kammerdiener von Papst Benedikt XVI., der die Dokumente entwendet hat, dafür zu 18 Monaten Haft verurteilt worden. Ein Rückblick:

10. Februar: Die linke italienische Zeitung "Il Fatto Quotidiano" zitiert aus einem vertraulichen Dokument, das einen möglichen Anschlag auf den Papst thematisiert. Der Vatikan weist den Bericht zurück. Kenner halten es aber für möglich, dass der Vorgang Teil eines Machtkampfes an der Spitze der römischen Kurie sein könnte.

14. Februar: Der Sprecher von Papst Benedikt XVI. kritisiert die Veröffentlichung interner Informationen, die "auf illoyale Weise" nach außen gedrungen seien. Dabei ging es auch um das Finanzgebaren des Vatikans und der Vatikanbank IOR. Er spricht das erste Mal von "Vatileaks" in Anlehnung an die Enthüllungsplattform "Wikileaks".

17. März: Der Vatikan leitet Ermittlungen ein. Papst Benedikt ernennt eine Kommission, um "Licht in die Angelegenheit zu bringen".

25. Mai: Der Präsident der Vatikanbank IOR, Ettore Gotti Tedeschi, nimmt nach einem Misstrauensvotum des Aufsichtsrats seinen Hut. Medien spekulieren über Zusammenhänge mit der "Vatileaks"-Affäre.

26. Mai: Nach Angaben des Vatikans wird in der Affäre gegen den päpstlichen Kammerdiener Paolo Gabriele ermittelt. Er soll die Papiere entwendet und weitergereicht haben. Wegen schweren Diebstahls sitzt er in Untersuchungshaft. Es kursieren Gerüchte über Mittäter.

30. Mai: In seiner ersten öffentlichen Stellungnahme kritisiert Papst Benedikt XVI. die Medien. Sie hätten "ein Bild vom Heiligen Stuhl gezeigt, das nicht der Realität entspricht".

3. Juni: Die Zeitung "La Repubblica" berichtet, ein anonymer Informant habe ihr drei neue Schreiben aus dem Vatikan zugespielt. Der Kammerdiener sei möglicherweise nur "ein kleiner Fisch".

5. Juni: Gabriele wird im Vatikan erstmals vernommen.

21. Juli: Der Kammerdiener kann seine Zelle verlassen und steht fortan unter Hausarrest, wie der Vatikan mitteilt. Kurz darauf bittet er den Papst nach Medienberichten in einem Brief um Verzeihung. Er habe keine Komplizen gehabt.

13. August: Wegen Beihilfe wird Anklage gegen einen weiteren Angestellten erhoben. Der Vatikan veröffentlicht den Untersuchungsbericht und die Anklageschrift gegen die beiden Männer. Psychiatrischen Gutachten zufolge hat Gabriele seelische Probleme.

29. September: Der Prozess gegen Gabriele und den Informatiker Sciarpelletti beginnt im Vatikan. Das Gericht ist mit weltlichen Richtern besetzt, allesamt hochrangige italienische Juristen. Der Vatikan legt Wert auf eine Trennung kirchlicher von weltlicher Aufklärung der Affäre.

2. Oktober: Gabriele berichtet vor Gericht, wie er aus Unbehagen über Entwicklungen im Vatikan Kopien von Dokumenten gefertigt und weitergegeben hat. Er fühle sich schuldig, das Vertrauen des Papstes missbraucht zu haben. Den Anklagevorwurf des schweren Diebstahls weist er zurück. Der päpstliche Privatsekretär Georg Gänswein sagt aus, er habe bis kurz vor der Festnahme Gabrieles keinen Verdacht gehegt.

3. Oktober: Als letzte Zeugen werden vier Gendarmen befragt. Sie hätten Gabriele, der sich vor Gericht über die Bedingungen in der Untersuchungshaft beschwerte, mit Samthandschuhen angefasst. Sie berichten auch von kistenweise Papier, das sie in Gabrieles Wohnung sicherstellten. Davon hätten 1000 Dokumente in Zusammenhang mit der Enthüllungsaffäre gestanden.

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