Bauernebel-Blog

CNN's "Obamacare"-Blamage

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Schneller als der Supreme Court erlaubt!

CNN preist sich gerne als „vertrauenswürdigster News-Kanal“, vor den Werbeblöcken dröhnt eine tiefe Stimme mit der Signatur „the most trusted name in news...“ Umso schockierender ist die Blamage des einst legendären Nachrichten-Senders bei der vorschnellen Verkündung eines völlig verkehrten Urteils des Supreme Courts beim Spruch über Obamas Gesundheitsreform. Sicher: Im Sekundenwettlauf um die schnellsten „Breaking News“ ist das US-Höchstgericht ein trickreiches Pflaster. Das Neunkopf-Gremium arbeitet wenig mediengerecht: Presse-Aussendungen mit den wichtigsten Punkten und Eckdaten fehlen ebenso wie Live-Kameras im Gerichtssaal. Die Urteile sind oft langatmig, komplex und beim ersten Drüberlesen verwirrenden. Rechtsangelegenheiten eben.

Prompt tappten CNN wie auch der Konkurrenzkanal Fox in die Falle: Das 101 Seiten lange Urteil begann mit dem Schluss, dass die Verpflichtung zum Kauf einer Gesundheitsversicherung unter dem "Commerce Clause" (Handelsgesetz) tatsächlich verfassungswidrig sei. Doch anstatt weiterzulesen, wollte CNN schneller sein als alle anderen - und überdribbelte sich selbst: Produzent Bill Meers funkte die Passage aus dem Gerichtssaal an das draußen stehende "Gesicht" der Live-Berichterstattung dieses historischen Tages, der Obama Legacy wie White House hätte kosten können, die hübsche, doch mit 29 Jahren nicht so ganz erfahrene Kongress-Korrespondentin Kate Boiduan. Und die schloss blitzschnell - doch grundfalsch: Das Kernstück von Obama-Care ist gekillt, das Reformwerk so gut wie tot.

Nun gab es kein Halten mehr bei CNN. "Das sind dramtische Entwicklungen", dröhnte der stets staatstragende Anchor Wolf Blitzer mit einer Stimme vergleichbar mit Balkenlettern eines Ganzseiten-Titels der New York Times. Sekunden später standen die "Breaking News" am unteren Bildschirmrand so bleiern wie die berühmte Zeitungsheadline "Dewey beats Truman" (die Chicago Tribune druckte den Irrtum am 3. November 1948, als der Republikaner-Kandidat bei Redaktionsschluss knapp führte und dann doch gegen Truman verlor...). Mehr noch: Während Fox den Fehler rasch berichtigte und zur Kehrtwende ansetzte, raste CNN nun durch die Runde an Korrespondenten mit ersten Analysen. "Das ist eine schlimme Niederlage für Präsidenten Obama", verfasste John King vor dem White House fast schon einen politischen Nachruf. Dass TV-Komiker Jon Stewart mit der Peinlichkeit ein gefundenes Fressen hatte, darf erraten werden.

CNNs Online-Division knallte unterdessen die Falschmeldungen auf die Website und schickte SMS- und Email-Alarme an hunderttausende Abonnenten aus. Ganze sieben Minuten lang war der Sender am komplett falschen Dampfer. Erst dann berief sich Blitzer auf "neue Informationen", die jetzt alles ganz anders aussehen ließen. Obamacare sei nun nämlich zugelassen von den Höchstrichtern, die Versicherungspflicht wurde genehmigt unter dem Recht des Staates, Steuern einheben zu dürfen. Wenigstens ersparte uns die vorschnellen CNNler die nochmalige Schaltung zu King, der nun den Triumph Obamas analysieren hätte müssen.

CNN sank zuletzt auf ein historisches Quotentief. Der Wettbewerbsdruck provozierte wohl den Flop, durch den der Sender nun noch mehr Zuseher verlieren dürfte. Sogar Obama selbst saß den Falschmeldungen auf: Er verfolgte die Verkündung des Urteils vor dem Oval Office auf einer TV-Wand mit vier Sendern: Als CNN und Fox den vermeintlichen Richterschlag verkündeten, sah er für wenige endlose Minuten die größte und am mühsamsten erreichte Errungenschaft seiner ersten Amtszeit einen erbärmlichen Tod sterben. Erst dann schritt Stabschef Jacob Lew auf ihn zu: Beide Daumen zeigten nach oben! Die Reform war gerettet!

CNN quälte da gerade verbliebene Zuseher mit Erklärungen, warum der Komplexität der Höchstrichtersprüche Irrtümer provozieren könne...
 

Mehr von unserem US-Korrespondenten Herbert Bauernebel finden Sie hier auf AmerikaReport.com

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