TV-Sender spekuliert

Bekommt Kohl den Friedensnobelpreis?

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Norwegischer TV-Sender zählt Kohl zu den engeren Kandidaten.

Der Kanzler der Deutschen Einheit, Helmut Kohl, zählt offenbar zu den engeren Favoriten für den Friedensnobelpreis. Dies berichtet der norwegische Staats-TV-Sender NRK. Die Entscheidung des Nobelkomitees wird an diesem Freitag in Norwegens Hauptstadt Oslo bekanntgegeben. Ein weiterer Kandidat, der inhaftierte Chinese Liu Xiaobo, hat dem Bericht zufolge keine Chancen auf die ruhmreiche Auszeichnung. Es gab offenbar Widerspruch von 14 chinesischen Regimekritikern.

Das politische Vermächtnis Kohls
Wohl kein anderer deutscher Bundeskanzler kann auf ein derart großes politisches Vermächtnis zurückblicken wie Kohl. Das gilt allein schon für seine Amtszeit. Ende Oktober 1996 war es soweit: Kohl amtierte als dienstältester Kanzler der Bundesrepublik, mit 5.145 Amtstagen hatte er jeden seiner Vorgänger übertroffen. Fünf Mal wurde der CDU-Politiker zum Kanzler gewählt. Er kommt auf eine 16-jährige Dienstzeit, zwei Jahre mehr als bei Konrad Adenauer.

Steile Partei-Karriere
Kohl trat 1947 der CDU bei, und seine Parteikarriere verlief linear bis zum Bundesvorsitz, in den er am 12. Juni 1973 gewählt wurde. 1969 wurde er Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, 1982 beim Misstrauensvotum gegen SPD-Kanzler Helmut Schmidt zum Regierungschef in Bonn gewählt.

 In diesen Tagen sind viele Wegbegleiter Kohls in Dokumentationen zu sehen. Deutlich wird dabei immer wieder: Kohl wurde während seiner politischen Zeit nicht nur geliebt, er wurde auch gefürchtet und möglicherweise sogar gehasst - meist war es wohl ein Mischung aus allem.

 In den 27 Jahren, in denen er gewählter Vorsitzender der CDU war, installierte Kohl ein innerparteiliches Patriarchat. Zum "System Kohl" gehörten auch die schwarzen Spendenkassen, aus denen er Gelder nach Gutdünken an den Büchern der Partei vorbei und gegen die Vorschriften des Parteiengesetzes an CDU-Gliederungen schleuste.

Wiedervereinigung
Nach dem Mauerfall von 1989 ist die deutsche Wiedervereinigung 1990 unumstritten Kohls größte politische Leistung, die ihm international Ansehen und ihn später fast jedes Jahr für einen Nobelpreis ins Gespräch brachte.

 Spendenaffäre
Prestige und Einfluss zerbarsten allerdings in der CDU-Parteispendenaffäre, die 1999 Stück für Stück ans Licht kam. Die heutige CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel - von Kohl auch gerne als "mein Mädchen" tituliert - leitete Ende 1999, damals noch als Generalsekretärin, in einem Beitrag für die "FAZ" die Abnabelung der Partei von Kohl als Führungsperson ein.

 Im Jänner 2000 musste Kohl schließlich den CDU-Ehrenvorsitz abgeben. Zuvor hatte er sich unter Berufung auf ein gegebenes Ehrenwort vehement geweigert, die Namen der Spender zu nennen. Dass Kohl den Ehrenvorsitz erneut angedient bekommt, scheint unwahrscheinlich. Merkel jedenfalls hat sich strikt dagegen ausgesprochen.

 Gesellschaft und Politik nahmen sich nach diesem Bruch bis zum 75. Geburtstag Kohls Zeit, um sich ihm wieder anzunähern. Die damalige Feier mit vielen internationalen Gästen geriet zur uneingeschränkten Würdigung seiner Verdienste als "Kanzler der Einheit".

 Zweites Eheglück mit 78

Und auch privat konnte sich Kohl wieder freuen. Mit 78 Jahren heiratete er Maike Richter, eine promovierte Volkswirtin, die einst als junge Beamtin im Bonner Kanzleramt saß, 34 Jahre jünger als er. Lange Jahre hatte Kohl zusammen mit seinen Söhnen Walter und Peter unter dem Tod von Hannelore Kohl gelitten hat, die sich im Juli 2001 aus Verzweiflung über ihre Lichtallergie das Leben genommen hatte.

 Anfang Februar wurde Deutschlands Altbundeskanzler wegen akuter Beschwerden die Gallenblase entfernt, es war nicht der erste schwerere Eingriff. Die Operation sei komplikationslos verlaufen, teilte sein Büro mit. Den Genesungsprozess will Kohl aber nicht unnötig beeinträchtigen, und so wird - statt wie vorher geplant - zu Hause in Ludwigshafen Geburtstag gefeiert. Mit privaten Gästen. Der offizielle Festakt wird am 5. Mai ausgetragen.
 

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