Neurowissenschafter Gero Miesenböck gehört zu den ganz großen Favoriten.
Der Datenanalysekonzern Clarivate Analytics hat den österreichischen Neurowissenschafter Gero Miesenböck (54) von der Uni Oxford unter die Favoriten für den diesjährigen Medizin-Nobelpreis gereiht. Er wurde gemeinsam mit Ernst Bamberg und Karl Deisseroth für die Entwicklung der Optogenetik in die 19 Forscher umfassende "Nobel-Klasse" aufgenommen, die Chancen auf die begehrte Auszeichnung haben.
Die zu Clarivate gehörende "Web of Science Group" stützt sich in ihrer Analyse auf wissenschaftliche Publikationen mit sehr hohen Zitierwerten. Wie oft eine Arbeit von anderen Fachkollegen zitiert wurde, gilt neben der Zahl von Publikationen in Fachzeitschriften als Maß für die wissenschaftliche Relevanz der Arbeit eines Forschers. Von den rund 47 Millionen seit 1970 im "Web of Science" erfassten Publikationen wurden nur 4.900 mindestens 2.000 Male zitiert.
Revolution in der Neurowissenschaft
Aus der Gruppe dieser hochzitierten Autoren haben die Analysten 19 "Zitations-Laureaten" aus sieben Ländern gekürt, die sie "Nobel-Klasse" nennen. Bisher hätten 50 Angehörige dieses Zirkels einen Nobelpreis erhalten, 29 innerhalb von zwei Jahren nach der Aufnahme in die Liste.
Weil die von ihnen entwickelte Optogenetik eine Revolution in der Neurowissenschaft darstelle, die das Wissen über Parkinson, die Wiederherstellung des Sehvermögens, Sucht und Stimmungsstörungen erweitert habe, werden Miesenböck, Deisseroth (Stanford University) und Bamberg (Max Planck Institut für Biophysik in Frankfurt/Main) Chancen auf den Medizin-Nobelpreis eingeräumt. Miesenböck, am 15. Juli 1965 in Braunau am Inn (OÖ) geboren, studierte an der Uni Innsbruck Medizin. 1993 wurde er dort "sub auspiciis praesidentis" promoviert. Anschließend ging er als Schrödinger-Stipendiat an das Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York. Von dort wechselte er an die Yale University und wurde 2007 als erster Nicht-Brite auf den Waynflete-Lehrstuhl für Physiologie an der Uni Oxford berufen.
Zahlreiche Kandidaten
Als weitere Kandidaten für den Medizin-Nobelpreis werden der niederländische Molekulargenetiker Hans Clevers von der Universität Utrecht (für seine Forschung am "Wnt"-Signalweg und dessen Rolle in Stammzellen und Krebs) und das US-Forscherehepaar John Kappler und Philippa Marrack von der National Jewish Health-Klinik in Denver (für die Erforschung der molekularen Grundlagen, wie T-Zellen Antigene erkennen) genannt.
In der Physik gibt es drei Nobelpreis-Favoriten: Der polnisch-britische Physiker Artur Ekert von der Universität Oxford wird für seine Beiträge zu Quantencomputer und Quantenkryptographie genannt. Der US-Physiker Tony Heinz von der Stanford University wurde für seine Pionierarbeit zu optischen und elektronischen Eigenschaften zweidimensionaler Nanomaterialien in die "Nobelpreis-Klasse" aufgenommen. Und der Theoretische US-Physiker John Perdew von der Temple University in Philadelphia hat nach Ansicht von Clarivate wegen seiner Beiträge zur Dichtefunktionaltheorie, die zu einem besseren Verständnis des Verhaltens von Materialien geführt haben, Chancen auf den Nobelpreis.
Gleich sechs Kandidaten gibt es in der Chemie: Rolf Huisgen von der Uni München und Morten Meldal von der Universität Kopenhagen könnten für die Entwicklung einer bestimmten chemischen Reaktion in der organischen Chemie ("1,3-Dipolare Cycloaddition") ausgezeichnet werden. Edwin Southern von der Uni Oxford gilt wegen des von ihm entwickelten Verfahrens ("Southern Blotting"), das einzelne Gene im menschlichen Erbgut identifizieren kann, als Nobelpreis-Favorit. Schließlich werden Marvin Caruthers von der Universität Colorado, Leroy Hood vom Institute for Systems Biology in Seattle und Michael Hunkapiller vom Biotech-Unternehmen Pacific Biosciences of California für ihre Beiträge zur Automatisierung der DNA-Sequenzierung hohe Chancen auf die Auszeichnung eingeräumt.
Nobelpreis-Woche
Als Favoriten für den Nobel-Gedenkpreis für Wirtschaftswissenschaften wurden Brian Arthur vom Santa Fe Institute, Sören Johansen und Katarina Juselius (beide Universität Kopenhagen) und Ariel Rubinstein von der Universität Tel Aviv in die "Nobelpreis-Klasse" aufgenommen. Arthur wird wegen seiner Arbeiten zu Folgen von Netzwerkeffekten in Wirtschaftssystemen genannt, Johansen und Juselius für die Entwicklung einer Methode zur Untersuchung von kurz- und langfristigen Auswirkungen auf wirtschaftliche Zeitreihendaten. Die Entwicklung von formalen theoretischen Wirtschaftsmodellen, insbesondere solchen begrenzter Rationalität, hat Rubinstein die Nominierung eingebracht.
Die Nobelpreis-Woche beginnt am Montag (7. Oktober) mit der Bekanntgabe des oder der Medizin-Nobelpreisträger, gefolgt von Physik (8.10.) und Chemie (9.10.). Am Donnerstag (10.10.) werden gleich zwei Preisträger verlautbart, und zwar für Literatur des Jahres 2018 und 2019. Der Gewinner des Friedensnobelpreises wird am 11. Oktober verlautbart, und am 14. Oktober folgt jener für Wirtschaftswissenschaften. 2019 sind die Preise wie im Vorjahr mit je neun Millionen schwedischen Kronen (840.000 Euro) dotiert. Übergeben wird die Auszeichnung wie alle Jahre wieder am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel.