Erlasse in der Türkei

Erdogans irre Dekrete: Heiratsshows, Epiliermethoden & Co.

Teilen

Die türkische Opposition beklagt Missbrauch von Notstandserlassen.

Seit Verhängung des Ausnahmezustands erfreuen sich Notstandsdekrete bei Recep Tayyip Erdogan großer Beliebtheit. Mit den Erlassen hat der türkische Präsident Zehntausende Regierungsgegner aus dem Staatsdienst entfernt - doch auch über eher abseitige Fragen wie Epiliermethoden, Werbung für Nahrungsergänzungsprodukte und Heiratsshows entschieden.

Die Opposition sieht dies als Machtmissbrauch und Verstoß gegen die Rechte des Parlaments. "Die Dekrete sollten ausschließlich für die Gründe des Ausnahmezustands benutzt werden, doch in ihrer gegenwärtigen Form ist dies nicht der Fall", sagte der CHP-Abgeordnete Sezgin Tanrikulu der Nachrichtenagentur AFP. Nicht alle Dekrete seien schlecht, doch würden sie "missbraucht". Mit ihnen "reißt die Regierung die Rechte des Parlaments an sich", dies sei "komplett illegal", kritisierte der Oppositionsvertreter.

Zwei Dutzend Notstandsdekrete

Seit dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli 2016 wurden bereits zwei Dutzend Notstandsdekrete erlassen, doch nur eine Handvoll bisher dem Parlament vorgelegt. Dabei müssen auch unter dem Ausnahmezustand sämtliche Dekrete von der Volksvertretung gebilligt werden. Zudem dürfen Dekrete eigentlich nur verwendet werden, wo dies zur Umsetzung des Ausnahmezustands notwendig ist.

Die meisten Dekrete betreffen die Entlassung von Soldaten, Polizisten, Justizmitarbeitern und Wissenschaftern, die einer Verwicklung in den Umsturzversuch oder Sympathien für die PKK-Guerilla verdächtigt werden. Auch Schulen, Firmen und Medien wurden per Dekret geschlossen, weil sie zur Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen gehören sollen, die von Ankara für den Putschversuch verantwortlich gemacht wird.

Verbot von Datingshows

Mit dem jüngsten Dekret wurden nun aber auch Datingshows verboten. Die TV-Shows, bei denen heiratswillige Männer und Frauen verkuppelt werden, sind in der Türkei äußerst populär, doch sind sie konservativen Muslimen seit langem ein Dorn im Auge. Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus warf den Shows im März vor, nicht zu "türkischen Traditionen" zu passen und die "Heiligkeit" der Familie zu beschädigen.

"Wurde der Putschversuch von Heiratsshows unternommen?", fragte der Oppositionsabgeordnete Tanrikulu nach dem Verbot in der Zeitung "BirGün". "Wurde der Ausnahmezustand wegen Heiratsshows erlassen?" Auch die Kolumnistin Nuray Mert äußerte sich besorgt über das neueste Dekret. Die Shows seien in der Tat "Trash", schrieb sie am Montag in der "Hürriyet Daily News". Doch "wer weiß, was als nächstes per Dekret verboten wird".

Methoden zur Haarentfernung

Bereits Ende März hatte Erdogan bei einer Zeremonie mit Kosmetikerinnen ein Dekret unterzeichnet, das die Methoden zur Haarentfernung reguliert. Im Internet reagierten viele Nutzer verblüfft und spöttisch. "Die Experten zur Haarentfernung, die eine zentrale Rolle in der Putschnacht vom 15. Juli spielten, wurden nun per Notstandsdekret freigelassen", spottete ein Nutzer auf Twitter. Ein anderer kommentierte: "Als ob der Putsch von Epilierexperten ausgeführt wurde."

Warum nutzt Erdogan seine Macht, um Epiliermethoden zu regulieren? Die Kolumnistin Pinar Tremblay gab darauf im Onlinemagazin "Al-Monitor" die Antwort: Weil er es kann. "Was die Türkei erlebt, ist fast ein Probelauf für die erwartete allmächtige Präsidentschaft, die langsam Absurditäten zur Norm verwandelt. Erdogan hat die Macht und fürchtet nicht, die Grenze auszuweiten."

Das könnte Sie auch interessieren:

Erdogan verschärft Vorgehen gegen Gegner

"Unislamisches Sitzen": Türken weisen Botschafter zurecht

Flammeninferno auf der A9: Reisebus von Erdogan-Unterstützern brannte völlig aus

Türkei entlässt fast 4000 weitere Staatsbedienstete

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten