Gibt es einen neuen Fall Fritzl? Ein österreichischer Holzarbeiter ist in den Niederlanden verhaftet worden. Was man bisher weiß.
Völlig isoliert und vollkommen verwahrlost hauste eine Gruppe von sieben Menschen neun Jahre lang in einem Kellerverlies im niederländischen Ort Ruinerwold. Einer von ihnen: der 58-jährige Josef B., ein gebürtiger Wiener. Der Holzarbeiter wurde vorläufig festgenommen. Das bestätigte das Außenministerium am Dienstagabend. Josef B. soll die anderen Personen im Keller festgehalten haben.
25-Jähriger erzählte beim Wirten vom Versteck
„Österreicher“. Gibt es einen neuen Fall Fritzl? Die Polizei ermittelt in alle Richtungen, seit ein junger Mann im Ort Ruinerwold im Dorfgasthaus mit wirrem Blick auftauchte. Der 25-Jährige bestellt ein Bier und erzählt dem Wirt eine unglaubliche Geschichte: Seit neun Jahren sei er nicht mehr draußen gewesen. Sein Vater hätte ihn mit seinen Geschwistern im Keller versteckt.
Der Wirt kann die Geschichte erst nicht glauben, dann meldet er den mysteriösen Fall der Polizei. „Er sagte, dass er weggelaufen war und Hilfe brauchte“, so Gastwirt Chris Westerbeek. Polizisten durchsuchen darauf das Haus und entdecken hinter einem Schrank eine Treppe. Sie führt zu einem Keller. Wie beim Fall Fritzl in Amstetten. Unten finden die Polizisten tatsächlich eine Gruppe Jugendlicher, offenbar Geschwister.
Von der Außenwelt nichts mitbekommen
Sie sind zwischen 18 und 25 Jahre alt, hausen in provisorisch eingerichteten Zimmern und hätten nichts von einer Außenwelt gewusst, heißt es. Die Mutter soll vor Jahren gestorben sein.
Der Bürgermeister der Gemeinde De Wolden, zu der Ruinerwold gehört, zeigte sich völlig geschockt: Einige Kinder waren nicht standesamtlich registriert. Sie besuchten auch keine Schule. Weshalb das den Behörden jahrelang nicht auffiel, ist offen. Die Gruppe wird jetzt medizinisch versorgt.
Bei den ersten Ermittlungen wird klar: Beim Festgenommenen handelt es sich nicht um den leiblichen Vater der Kinder, sondern um den Österreicher Josef B., der sich um den Bauernhof kümmerte. Der leibliche Vater sei nach einem Infarkt bettlägerig. Auch er soll sich im Keller befunden haben. Über das Motiv, warum die Gruppe so isoliert wohnte, berichten niederländische Medien: Sie sollen auf „das Ende der Zeiten“ gewartet haben.
Kameras und Bewegungsmelder sicherten Gelände
Nachbarn nannten den Mieter des Hofes „Josef, den Österreicher“. Sie gaben an, nichts von den Vorgängen im Haus gemerkt zu haben und immer nur einen Mann gesehen zu haben. Niemand wusste, dass eine ganze Familie auf dem Hof lebt. „Das Tor war immer verschlossen“, so ein Nachbar: „Auf einem Baum hing eine Kamera“, sagt er. Deswegen hätten sich die Nachbarn gar nicht erst genähert. Mehrmals wurde ein Polizeiauto auf dem Grund beobachtet.
Besitzerin: "Er hat seine Miete immer bezahlt"
Die Besitzerin des Bauernhofes ist ebenfalls geschockt: „Ich bin wirklich erstaunt, das alles zu hören.“ Josef B. habe seine Miete immer ordentlich bezahlt.
Der Hof liegt versteckt hinter Bäumen und etwa 200 Meter vom Rande des Dorfes entfernt. Dazu gehören ein großer Gemüsegarten und eine Ziege. Möglicherweise hat sich die Gruppe jahrelang selbst versorgt.Marlene Kovacs