Durchsuchungen in fünf Bundesländern - 800 Beamte im Einsatz - Den illegal Eingereisten droht Ausweisung.
Leipzig. Wegen mutmaßlicher umfassender illegaler Einschleusung von Arbeitskräften für die deutsche Fleischbranche hat die Polizei eine Großrazzia in fünf Bundesländern ausgeführt. Die Razzia begann am Mittwoch in den frühen Morgenstunden und dauerte einige Stunden später noch an, wie ein Sprecher der Bundespolizeisektion für Mitteldeutschland der Nachrichtenagentur AFP sagte. Rund 800 Beamte seien im Einsatz.
Der Schwerpunkt der Razzia lag nach Angaben des Sprechers in Sachsen-Anhalt, Durchsuchungen fanden demnach auch in Sachsen, Berlin, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen statt. Die Razzia war dem Sprecher zufolge nicht auf die Fleischindustrie beschränkt, konzentrierte sich jedoch "überwiegend" auf diese Branche.
Bei der Razzia gehe es darum, hinsichtlich der illegalen Beschäftigung von Leiharbeitern ein "Dunkelfeld aufzuhellen", sage der Sprecher. Hintergrund der Razzia ist nach seinen Angaben, dass die deutsche Bundespolizei bei ihren Kontrollen an Grenzübergängen und Bahnhöfen über die Zeit hinweg eine große Zahl von Reisenden mit falschen Dokumenten angehalten hatte. Daraufhin sei eine Sonderkommission zur Einschleusung von Leiharbeitern eingerichtet worden.
Mehr als 40 Wohn- und Geschäftsräume werden nach Angaben der Bundespolizei durchsucht. Die Ermittlungen richten sich gegen zehn Hauptbeschuldigte im Alter von 41 bis 56 Jahren. Darunter sind acht Männer und zwei Frauen. Es gehe um den Vorwurf der banden- und gewerbsmäßigen Einschleusung und der Urkundenfälschung.
Beschuldigt sind zwei Firmen, die unabhängig voneinander, aber nach demselben Muster vorgehen sollen. Sie sollen hauptsächlich rumänische Menschen mit falschen Dokumenten nach Deutschland geholt haben. Sie hätten sie hier bei Behördengängen unterstützt, ihnen Unterkünfte und Transport organisiert, diese Leistungen aber auch vom Lohn abgezogen. Die Ermittler haben nach den Angaben Werte in Höhe von 1,5 Mio. Euro beschlagnahmt. Den illegal eingereisten Leiharbeitern drohe die Ausweisung aus Deutschland.
Die Arbeitsbedingungen in der deutschen und auch österreichischen Fleischindustrie sind im Zuge der Coronakrise stark in die Kritik geraten. In der Branche gab es eine Serie von Ausbrüchen des neuartigen Erregers, was Kritiker auf die Arbeitsbedingungen sowie die Unterbringung vieler Beschäftigter in beengten Gemeinschaftsunterkünften zurückführen. In den Schlachtbetrieben sind viele Osteuropäer tätig, die von Subunternehmen beschäftigt werden.
Die deutsche Regierung brachte als Reaktion auf die Coronavirusausbrüche einen Gesetzentwurf für Reformen in der Fleischindustrie auf den Weg. Der Entwurf sieht vor, dass Großschlachthöfe bei der Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung keine von Partnerfirmen beschäftigten Arbeiter mehr einsetzen dürfen, sondern nur eigenes Personal. Konkret sollen in der Branche Werkverträge und Leiharbeit verboten sein. Auch die Unterbringung von Schlachthofmitarbeitern soll verbessert und die behördlichen Kontrollen in den Betrieben erhöht werden. Die Regelungen sollen zum 1. Jänner in Kraft treten.
In Österreich sind zuletzt in einem oberösterreichischen Fleischverarbeitungsbetrieb 21 Mitarbeiter positiv auf Corona getestet worden.