Historiker über 'Political Correctness':

'In Wahrheit nimmt man Klimawandel nicht ernst'

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In einem Interview sorgt der bekannte Historiker Joachim Radkau mit seinen Aussagen für Staunen.

Wetterextreme nehmen immer mehr zu. Schwere Unwetter, Überschwemmungen, Waldbrände, Hitzewellen oder auch Kälteperioden fordern von Jahr zu Jahr Tote rund um den Globus. Nun haben EU-Abgeordnete verschiedene Fraktionen haben die Ausrufung des Klima-Notstandes gefordert. Vertreter der Konservativen, Sozialdemokraten, Grünen und Linken signalisierten am Montag beim Auftakt der Plenarwoche des EU-Parlaments in Straßburg grundsätzlich Unterstützung für einen entsprechenden Entschließungsantrag des französischen Liberalen Pascal Canfin.

Über den Text soll nun am Donnerstag abgestimmt werden. Zentrale Forderung ist Canfin zufolge die Festschreibung des Ziels, die Treibhausgas-Emissionen der EU-Staaten bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent im Vergleich zum Referenzjahr 1990 zu reduzieren. Bisher ist eine Absenkung um 40 Prozent vorgesehen. Die Grünen reichten eine alternative Entschließung ein, die eine Reduktion um 65 Prozent fordert.

Der Kampf gegen den Klimawandel verlagerte sich aber besonders im letzten Jahr durch die von Aktivistin Greta Thunberg (16) gestartete Bewegung "Fridays For Future" auf die Straßen. Millionen Menschen - vor allem Kinder und Jugendliche - demonstrierten für eine effektive Klimapolitik und eine ernsthafte Absicht die Erwärmung des Planeten zu bekämpfen.

Historiker: "Man muss den Dialog suchen"

Nun überrascht der bekannte Historiker Joachim Radkau (76) in einem Interview mit der "Neue Züricher Zeitung" (NZZ) mit seinen Aussagen. Er fordert in der Klimadebatte mehr Verständnis für Leugner des Klimawandels. Einige Aktivisten forderten ja sogar ein Gesetz um Klimaleugnern den Mund zu verbieten. Für Radkau genau der falsche Weg. "Ich bedaure, dass gerade bei Intellektuellen, die sich für progressiv halten, sofort eine Jalousie herunterrasselt, wenn jemand auch nur die leisesten Zweifel äussert. Vernünftiger wäre es, den Dialog zu suchen", so der Historiker. Radkau setzt sich seit Jahrzehnten mit der ökologischen Bewegung und deren Entstehung auseinander. Er selbst ist bekennender Naturfreund und hofft "noch immer im Stillen, dass auch andere Faktoren mitspielen, denn wenn der anthropogene Klimawandel uneingeschränkt zutrifft, sieht die Zukunft unseres Planeten ziemlich trübe aus".

"In Wahrheit nimmt man Klimawandel nicht sonderlich ernst"

Und trotz des jüngsten Aufkeimens von Aktivismus in diesem Bereich und dem Vormarsch der Grünen in vielen Ländern Europas glaubt er, dass viele die Ernsthaftigkeit des Ganzen trotzdem nicht erkannt haben. Im Hinblick auf die zögerliche Energiewende sagt er: "Manchmal habe ich das Gefühl, es gehört inzwischen zur Political Correctness, sich zum Glauben an den Klimawandel zu bekennen. Doch in Wahrheit nimmt man ihn nicht sonderlich ernst."

Um im Kampf gegen den Klimawandel wirklich erfolgreich zu sein, rät er sich auf bestimmte Ziele zu konzentrieren und nicht nur das Allgemeine anzukreiden, da sonst die Anteilnahme besonders der jungen Menschen über die Jahre schnell verfliegen könne. "Die Gefahr, dass das lediglich ein vorübergehendes Phänomen ist, sehe ich durchaus. Wichtig wäre, dass sich die jungen Leute für ganz bestimmte Ziele einsetzten. Greta Thunberg sagt, alles müsse sich ändern. Genau das könnte dazu führen, dass sich am Ende gar nichts ändert. Man kann nur erfolgreich sein, wenn man sich auf etwas konzentriert", so Joachim Radkau.
 

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