Kühlung versagt

50 AKW-Helden opfern sich für alle

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Nach Einsatz haben sie nur mehr Wochen zu leben.

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Sechs Tage nach der Atom-Katas­trophe meldete sich gestern erstmals auch Japans Kaiser zu Wort. Die Probleme seien nicht vorhersehbar gewesen, sagte Akihito. Er sei "zutiefst besorgt".

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So zerstört ist Fukushima wirklich

Deutlich zu erkennen: Die Außenwand des Reaktor-Blocks Nr.4 ist geborsten.

50 Arbeiter kämpfen derzeit gegen das atomare Desaster. Zwischenzeitlich mussten sie wegen zu hoher Strahlung das Kernkraftwerk verlassen.

Der Druck und die Hitze waren zu groß.Letzten Meldungen zufolge soll auch das Dach von Block 4 eingestürzt sein.

In der Nacht auf Mittwoch brachen zudem neue Brände in den Blöcken 3 und 4 aus.

Keine Guten Nachrichten auch aus dem Reaktorblock 1: Hier steigt Mittwochfrüh Qualm auf.

Die Lage in Fukushima ist außer Kontrolle.

Gespenstischer Blick über das Kraftwerk.

Hier ein Bild aus früheren Zeiten.

So schaut Fukushima nach dem Tsunami aus.

Auch bei dem etwas abseitsstehenden Block 5 ging die Behörde von einer kritischen Situation aus. Der Wasserpegel sei innerhalb von fünf Stunden um 40 Zentimeter gefallen.

In vier Blöcken droht jetzt die Kernschmelze. Es wurde die zweithöchste Atom-Alarmstufe ausgegeben. Die Betreiberfirma hat den Kontrollraum aufgegeben. Das Dach von Reaktor 4 ist eingestürzt.

Die letzte Hoffnung liegt auf den letzten 50 verbliebenen Technikern im AKW. Sie waren am Dienstag zusammen mit 750 Kollegen zunächst abgezogen worden, als die Strahlenwerte im Kernkraftwerk Fukushima in die Höhe geschossen waren, zeitweise auf 400 Millisievert (in Tschernobyl wurde bei 350 Millisievert evakuiert).
Nachdem die Werte wieder gesunken waren, kehrten die Männer am Mittwoch an den Unglücksreaktor zurück. Freiwillig.

Ein Land geht durch die Hölle

Erdbeben, Tsunami, Atom-GAU: Japan wird von der schlimmsten Katastrophe seit dem 2. Weltkrieg heimgesucht. Hier alle Bilder als Fotostrecke.

Japan am Freitag Nachmittag, es scheint ein Tag wie jeder anderer zu sein.

Doch dann erzittert die Erde: Großalarm, Behörden und Medien melden 650 km südlich von Japan ein starkes Erdbeben.

Bereits die erste Folgen der Erschütterungen sind heftig: Gebäude stürzen ein, Strassen brechen auf.

In Tokio fallen zahlreiche Transportmittel aus, es kommt zu einem Verkehrschaos.

Alles, was noch fährt, ist brechend voll mit verunsicherten Bewohnern und Pendlern.

Geschäftsauslagen bersten, Regale kippen um, Lastwägen entleeren sich auf offener Straße.

Andernorts sind die Folgen viel gravierender: In Sendai geht eine Erdölfabrik in Flammen auf.

Das Feuer kann lange nicht gelöscht werden. Die Gegend ist verwüstet und verschmutzt.

Wieder und wieder wird das Land von heftigen Nachbeben erschüttert, die weitere Schäden auslösen. Doch es kommt noch schlimmer.

Nach dem Rekord-Beben rollt nun eine Killer-Welle auf Japan zu.

Als sie auf Land trifft, kann nichts ihrer Urgewalt standhalten.

Zahllose Menschen werden von den Wassermassen verschluckt, Schiffe, Autos und selbst Kleinflugzeuge wie Spielzeug weggespült.

Auch dieses kleine Gebäude wird von der Gewalt der Welle hinfortgerissen.

Die Flut treibt ein Schiff in die Küstenstadt Ofunato und verwüstet den Ort.

Der Riesen-Tsunami macht die Stadt Minamisanriku (Nordost-Japan) dem Erdboden gleich.

Auch in Rikutenzakada (Präfektur Iwate) ist die Lage mehr als katastrophal.

Viele Menschen haben alles verloren. Ihre einstigen Häuser sind Teil eines riesigen Trümmerfelds.

Pure Verzweiflung angesichts des Unfassbaren. Auch die Stadt Natori ist nach Erdbeben und Tsunami nur noch ein Trümmerhaufen.

Allerorts hat man mit den Auswirkungen der Katastrophe zu kämpfen.

Binnen weniger Stunden schnellen die Opferzahlen in die Höhe. Doch während das Land von Flut und Feuer heimgesucht wird, bahnt sich eine viel größere Katastrophe an.

Japan betreibt zahlreiche Atomkraftwerke, die sich nun als tickende Zeitbomben erweisen

Noch am Freitag knallt es das erste Mal im AKW Fukushima Eins. Auch in Fukushima Zwei und Onagawa kommt es zu schweren Problemen.

Während man in den anderen Kraftwerken die Lage unter Kontrolle bekommt, fallen in Fukushima die Kühlsysteme mehrerer Reaktoren aus. Es gibt erneute Explosionen.

Die Notmaßnahmen schlagen nicht an. Das Areal um das Kraftwerk wird großzügig evakuiert. Vermutlich haben mehrere Kernschmelzen eingesetzt.

Egal ob Frau, Mann oder Kind - jeder muss sich gründlich auf Verstrahlung untersuchen lassen.

Umhüllt vom grünen Licht der Quarantänekammer, wird dieser Japaner auf seine Strahlungswerte gescannt.

Die Angst vor der Strahlung löst eine Massenflucht aus. An der Küste entstehen kilometerlange Staus.

Aus Angst vor Knappheit sind die Supermarktregale in vielen Gegenden bald leergekauft.

Viele Japaner sind zu spät, und müssen auf die nächsten Lieferungen warten.

Um den Andrang unter Kontrolle zu bekommen, hat dieses Geschäft eine Liste der dauerhaft ausverkauften Artikel ausgehängt.

Bald reagiert auch die Wirtschaft mit globalen Einbrüchen.

Und schon droht die nächste Gefahr: Bald soll der Wind drehen und Regen einsetzen.

Die Atom-Wolke könnte dann die Hauptstadt Tokio erreichen und verstrahlen. Dort leben 40 Millionen Menschen.

Angesichts der Dramatisierung der Lage, fühlen sich auch viele Tokioter nicht mehr sicher. Zahlreiche Menschen flüchten in südlicher gelegene Gebiete.

Auch wenn der Alltag in Tokio vorerst noch seinen normalen Lauf nimmt: Ohne Schutzmaske geht sicherheitshalber kaum jemand auf die Straße.

Jeder verfolgt gespannt die Ereignisse um das AKW Fukushima.

Immer mehr Menschen nehmen rund um den Globus Anteil an der Tragödie in Japan.

Selbst die europäische Fußballorganisation UEFA bekundet ihr Beileid. Am Dienstagabend gibt es vor den Champions League-Partien eine Schweigeminute.

Viele im Ausland lebende Japaner sind geschockt von der Tragödie in ihrer Heimat. Hier: Inter Mailand-Kicker Nagamoto nach dem Rückspiel gegen Bayern München.

Auch im eigenen Land, dort wo das Schicksal nicht so hart zugeschlagen hat, ist man in Gedanken bei den Opfern der Katastrophe.

Nun meldet sich sogar Kaiser Akihito persönlich zu Wort.

Der "Tenno" ist "zutiefst besorgt" über die Lage. Es ist äußerst selten, dass der oberste Monarch ein öffentliches Statement abgibt.

Die internationale Hilfe läuft schnell an. Die USA sind mit mehreren Schiffen, Helfern und Militär vor Ort. Hier fährt die "USS Preble" vor Sendai auf.

Auch die Streitkräfte auf der "USS Ronald Reagan" arbeiten auf Hochtouren.

Mit zahlreichen Helikoptern machen die Helfer sich ein Bild der Lage...

...doch fast überall sieht es ähnlich trist wie hier in Miyagi aus.

Inmitten der Katastrophe muss man mit provisorischen Landeplätzen Vorlieb nehmen.

Die ausländischen Helfer unterstützen nicht nur die Aufräum- und Sucharbeiten...

...sondern liefern dringend benötigte Güter an jene, die sie dringend brauchen.

Auch die japanische Armee ist rund um die Uhr auf den Beinen. Über 70.000 Soldaten wurden mobilisiert, dazu gesellen sich mehrere tausend Reservisten.

Neben Treibstoff wird in den betroffensten Gebieten die Nahrung knapp. Umso dramatischer, denn am Mittwoch verschlimmert sich die Lage erneut.

Eisige Temperaturen und Schneefall in vielen Gegenden, machen den Überlebenden von Erdbeben und Tsunami das Leben noch schwerer.

Tausende Menschen müssen neben der Strahlengefahr nun auch den Erfrierungstod fürchten.

Die wachsende Schneedecke macht es für Helfer und Freiwillige...

...zunehmend schwerer, ihrer Arbeit nachzugehen.

Die Chancen, in den Trümmern der Katastrophe noch Überlebende zu finden, sinken nun dramatisch.

In Fukushima brodelt es noch, der Rest des Landes findet langsam Zeit, die Opfer von Beben und Flut zu betrauern.

Viele Menschen erliegen auch heute noch den Verletzungen, die ihnen die Naturkatastrophen beigebracht haben.

Und auch manche der Helfer bezahlten ihren Einsatz mit dem Leben.

Zahlreiche Menschen nahmen...

...an den ersten Trauerzeremonien teil.

Auch aus den Nachbarstaaten gab es Kondolenzbotschaften. Der südkoreanische Ministerpräsident Lee Myung-Bak bekundete Japan sein Mitgefühl.

Sein japanischer Amtskollege, Naoto Kan, schwörte sein Volk bei einer TV-Ansprache auf den Wiederaufbau des Landes ein. Es gelang ihm nur unter Tränen.

Kühlen verzweifelt
Nun werden sie als die "Tapferen 50" im Internet gefeiert. Ihre Mission ist hoffnungslos. In ihren verschweißten Strahlenschutzanzügen versuchen sie mit dem primitivsten Mittel (Wasserschlauch) das "AKW der Angst" zu kühlen. Maximal zehn Minuten sollten sie sich der Radioaktivität aussetzen. Jeder überschreitet dieses Zeitlimit. Ihre Körper sind schon verstrahlt.

Alle werden sterben
"Bei diesem Grad der Verstrahlung werden alle 50 Techniker höchstens noch einige Wochen leben", so die düstere Prognose vom ABC-Abwehroffizier Otto Strele vom Bundesheer. Die Organe der 50 Helden werden von der Strahlung zerstört. Sie sind dem Tod geweiht. Jetzt kann man nur mehr hoffen, dass ihr Kampf nicht umsonst ist.
 

Strahlen-Experte: "Arbeiter können Reaktor
 nur mehr abspritzen"

Otto Strele ist ABC-Abwehr-Offizier beim Bundesheer. Er leitete viele Hilfseinsätze, ist Strahlen-Experte.

ÖSTERREICH: Was machen die 50 Männer im AKW?
Otto Strele: Ihre Hauptaufgabe: die Folgeschäden für andere so gering wie möglich halten. Wasser wird durch Schläuche in das AKW gepumpt. Die Männer spritzen derzeit einfach die Reaktoren an, um sie zu kühlen. Einige andere werden noch Messungen vornehmen.

ÖSTERREICH: Dabei herrscht doch absolute Lebensgefahr?
Strele: Diese Menschen sind komplett der Strahlung ausgesetzt. Deswegen werden sie sich, so oft es geht, abwechseln. Doch 50 Männer sind nicht sehr viele – jeder kommt häufig dran. Es ist allen sicherlich klar: Sie werden an der Strahlenkrankheit sterben. Sie sind sogenannte Liquidatoren. Die wissen, was ihnen bevorsteht, aber sie machen es sicher freiwillig.

ÖSTERREICH: Warum?
Strele: Sie arbeiten in einem AKW, die wissen ganz genau, wie gefährlich der Job ist. Das ist für sie eine Art Heldentod. Diese Menschen opfern sich für die Gesamtheit auf.

ÖSTERREICH: Wie wirkt die Strahlung auf die Helfer?
Strele: Es gab Berichte, wonach die Strahlung am Reaktor 400 Millisievert pro Stunde beträgt. Das ist das 200-Fache der Maximaldosis, die von heimischen Behörden erlaubt wird.

ÖSTERREICH: Was passiert dabei mit den Männern?
Strele: Sofort ändert sich deren Blutbild. Nach zwei Stunden beginnen Mundblutungen, danach Nierenblutungen. Es gibt keine Rettung mehr. Ihre Organe sind derart geschädigt, dass sie höchstens noch einige Wochen überleben werden.

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