Spirale der Eskalation

Greenpeace: "Kernschmelze seit Samstag"

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Experte: "Desinformationsstrategie der AKW-Betreiber ist hochgradig fahrlässig."

Der Umweltorganisation Greenpeace zufolge ist die befürchtete Kernschmelze zumindest in Reaktor 1 des Atomkraftwerks Fuyujama seit Samstag bereits in Gang.

"Wasserstoff ist typische Folge einer Kernschmelze"
"Alle Indizien deuten darauf hin", sagte Experte Niklas Schinerl am Dienstag. Vor allem die Wasserstoffexplosion im Reaktorgebäude am Samstag sei ein Zeichen dafür. "Die Entwicklung von Wasserstoff tritt als eine typische Folge einer Kernschmelze auf, alles andere wäre mehr als unwahrscheinlich. Wir erleben eine Spirale der Eskalation", so Schinerl.

"Die vom Kraftwerksbetreiber betriebene Desinformationsstrategie ist angesichts der nun zu befürchtenden Auswirkungen auf Menschen und Umwelt hochgradig fahrlässig", sagte Schinerl. Die Betroffenen bei einer "solchen sich abzeichnenden Atomkatastrophe im Dunkeln zu lassen, heißt, den Schaden von Mensch und Umwelt bewusst in Kauf zu nehmen".

Fünfzig Tonnen Atommüll im Freien?
Darüber hinaus zeigte sich Greenpeace über die aktuellen Entwicklungen zutiefst besorgt. Nach der erneuten Explosion in einem der Reaktorgebäude, diesmal in Block 2, mussten Arbeiter und Personal vom Gelände evakuiert werden. Der Brand im Abkühlbecken in Reaktor 4 rücke die Aufmerksamkeit dieser radioaktiven Quelle wieder stärker in den Mittelpunkt.

In solchen Abklingbecken ist Greenpeace zufolge hoch radioaktiver thermischer Abfall einige Jahre zur Kühlung gelagert. Die Umweltorganisation müsse nach derzeitigem Wissensstand davon ausgehen, dass zumindest in einem der Reaktoren die Abklingbecken seit der Explosion am 12. März ohne weiteren Schutz im Freien liegen. Dort alleine sind fünfzig Tonnen radioaktiver Müll gelagert.

In Reaktor 3 befinden sich rund 88 Tonnen des hoch radioaktiven thermischen Atommülls. Nach der schweren Explosion im Reaktorgebäude ist weiterhin unklar, ob es noch eine Schutzhülle rund um die Abklingbecken gibt. Dazu gibt es noch 81 Tonnen in Reaktorblock 2, hier dürfte das Containment Greenpeace zufolge aber noch funktionieren.

Weitere Brände möglich
Derzeit sei unklar, ob überhaupt ausreichend Strom zur Verfügung steht, um den Atommüll in den Abklingbecken ausreichend zu kühlen. "Gelingt es hier nicht, die Kühlung in Gang zu bringen, kommt es wie heute in Reaktor 4 zu Bränden. Das führt unweigerlich zu einer raschen Freisetzung von radioaktivem Material", erklärt Schinerl. "Erschwerend kommt das in Reaktor 3 eingesetzte hochgiftige plutoniumhältige Mischoxid (MOX) hinzu.

Durch eine weitere Freisetzung von Radioaktivität und Giftstoffen kann es dazu kommen, dass die letzen verbliebenen Arbeiter evakuiert und so die schmelzenden Reaktoren sich selbst überlassen werden müssen. Die ohnehin schon dramatische Situation gerät so völlig außer Kontrolle", so Schinerl.

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So explodierte der Atom-Reaktor

Am 11. März bebt in Japan die Erde. Alle Atomkraftwerke in Japans Krisenregion schalten sich zur Sicherheit ab. Auch das Atomkraftwerk Fukushima (es ging 1967 ans Netz und hätte Ende des Monats stillgelegt werden sollen). Dann kommt der Tsunami. Er beschädigt die Dieselgeneratoren, die die Kühlung aufrechterhalten sollen.

Wenn ein AKW abgeschaltet ist, erzeugen die Brennstäbe eine Nachwärme. Aber die Kühlung fällt aus. Die Dieselgeneratoren (im Bild rot) sind kaputt

Wie im Kelomat steigt der Druck. Um ihn zu verringern, werden die Ventile geöffnet. Wasserstoff und Sauerstoff treffen aufeinander. Explosion. Es fetzt das Dach weg

Das Containment (Innenteil) wird mit Meerwasser aufgefüllt, um die Brennstäbe zu kühlen. Zusätzlich wird Borsäure zugeführt, um die Kernschmelze zu verhindern.

Der Super-GAU tritt ein. Lässt sich das Containment nicht genug gut kühlen, schmelzen die Brennstäbe. Das Gift sickert dann ins Erdreiche ein und verseucht es.