Weißrussischer Präsident äußert Vorwurf bei Besuch von russischem Regierungschef.
Minsk. Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko hat nach eigenen Angaben Beweise dafür, dass der Giftanschlag auf den russischen Kreml-Kritiker Alexej Nawalny vom Westen vorgetäuscht worden sei. Seine Geheimdienste hätten ein Telefonat zwischen Berlin und Warschau abgefangen, aus dem dies eindeutig hervorgehe, sagte Lukaschenko am Donnerstag.
Damit solle Moskau von einem Eingreifen in Weißrussland abgehalten werden. "Es gab keine Vergiftung von Nawalny", sagte Lukaschenko bei einem vom Fernsehen übertragenen Treffen mit dem russischen Ministerpräsidenten Michail Mischustin in Minsk. "Sie taten es - ich zitiere - um (den russischen Präsidenten Wladimir) Putin davon abzuhalten, seine Nase in die Angelegenheiten von Belarus zu stecken." Weitere Einzelheiten nannte er nicht, kündigte aber an, eine Abschrift des abgehörten Telefonats den russischen Geheimdiensten zur Verfügung zu stellen.
Lukaschenko sieht sich seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl vom 9. August wachsendem Druck ausgesetzt. Zehntausende Weißrussen gehen seit Wochen gegen den seit 26 Jahren herrschenden Präsidenten auf die Straße, werfen ihm Wahlfälschung vor und fordern Neuwahlen. Putin hatte Lukaschenko in der vergangenen Woche militärische Unterstützung in Aussicht gestellt, sollte sich die Lage weiter zuspitzen. Die NATO rief Russland auf, sich nicht in die Angelegenheiten des Nachbarlandes einzumischen.
Nawalny war am 22. August mit Vergiftungserscheinungen aus Russland zur ärztlichen Behandlung nach Berlin geflogen worden. Er wird seither in der Universitätsklinik Charité behandelt. Die deutsche Bundesregierung teilte am Mittwoch mit, der Kreml-Kritiker sei "zweifelsfrei" mit einem chemischen Nervenkampfstoff vergiftet worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte den "versuchten Giftmord" scharf. Gemeinsam mit den Partnern in der EU und der NATO solle nun über eine "angemessene" Reaktion entschieden werden.
Russland wies am Donnerstag erneut jede Verantwortung für den Anschlag zurück. Nawalnys Vertrauter Leonid Wolkow bezeichnete Lukaschenkos Behauptung als "lächerlich" zurück. Dem russischen Ministerpräsidenten warf er vor, sich mit seiner Beteiligung an "diesem Zirkus" zum Komplizen des "versuchten Mordes" zu machen.