Tausende bei Demo

Massive Proteste bei Castor-Transport

Teilen

16.000 Polizisten sichern den Atommüll-Transport. Gegner ketten sich fest.

Gleisbesetzungen, Traktorblockaden, Schlagstockeinsatz und Massenproteste: Der Castor-Atommülltransport quer durch Deutschland nach Gorleben ist am Samstag auf massiven Widerstand gestoßen. Bis zum frühen Abend stand der Sonderzug stundenlang in Kehl nahe der Grenze zu Frankreich, fuhr aber kurz vor 18.00 Uhr weiter. Im Wendland nahe dem Atommülllager demonstrierten Zehntausende Kernkraftgegner. Die Organisatoren zählten 50.000 Menschen, die Polizei rund 25.000 - in jedem Fall war es der bisher größte Anti-Atom-Protest in der Region überhaupt. Die bisherige Rekordmarke lag bei 20.000 Demonstranten 1997 in Lüneburg. Gegenüber dem ursprünglichen Fahrplan kam es zu einer mindestens dreistündigen Verspätung. Die elf Castoren mit 123 Tonnen hoch radioktiven Abfällen sollen Montag Gorleben erreichen.

Schienenblockade
  Wegen einer Schienenblockade im Grenzort Berg/Pfalz mit mehr als tausend Teilnehmern wurde der Castor-Transport kurzfristig über Straßburg nach Kehl umgeleitet. Dort seilten sich drei Aktivisten von der Kinzig-Brücke ab. Im Wendland blockierten Bauern nahe Splietau nachmittags mit rund 250 Traktoren eine Straße in Richtung Atommülllager. Laut Polizei waren mindestens 560 Traktoren vor Ort unterwegs. Bei Splietau ging die Polizei zudem mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen rund 150 Atomkraftgegner vor, die versucht hatten, ein Loch am Rand der Straße zu graben. Sie wollten dort die sogenannte Südroute nach Gorleben unterhöhlen und damit für die Schwerlaster unbefahrbar machen. Die Polizei gab an, dass sie mit Steinen und Knallkörpern beworfen wurde.

  Kundgebung
Auf der Kundgebung rief Kerstin Rudek von der Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg zu ausdauernden Protestaktionen auf: "Sorgt weiter dafür, dass sie mit Gorleben nicht durchkommen. Atomausstieg ist Handarbeit." Die Lehre aus dem einsturzgefährdeten Atommülllager Asse laute: "Gorleben stilllegen". Der Geschäftsführer von Greenpeace International, der Südafrikaner Kumi Naidoo, sagte in seiner ansonsten in Englisch gehaltenen Rede auf Deutsch: "Ich bin ein Wendländer!" Naidoo fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, sich von der "Tyrannei des Big Business" zu befreien, die Castor-Transporte zu stoppen und die Erkundung des Salzstocks Gorleben zu beenden.

   Schon vor der Grenze auf französischer Seite in Hausbergen nahm die Polizei 16 Greenpeace-Aktivisten in Gewahrsam. 14 von ihnen hatten sich auf die Schienen gelegt, zwei hatten sich mit Röhren an den Schienen festgemacht, wie Greenpeace-Sprecher André Böhling der Nachrichtenagentur dapd bestätigte. Der Zug kam zum Stehen, bis die Röhren mit einem Metallschneider durchtrennt waren.

 Atommülllager
  Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel sagte auf dem nordrhein-westfälischen Landesparteitag, sie sehe keine Alternative zu einem Atommüllendlager in Deutschland. SPD und Grünen warf sie vor, sich in punkto Erkundung einer Endlagerstätte wie Gorleben jahrelang "weggeduckt" zu haben. Hinsichtlich der Proteste gegen den Castor-Transport kritisierte Merkel die geplanten Aktionen. Das "Schottern" - also das Unterhöhlen der Gleise - sei keineswegs harmlos, sondern ein Straftatbestand. Der Pressesprecher der "Schottern"-Kampagne, Christoph Kleine, entgegnete, die Aktion werde niemanden angreifen und niemanden gefährden. "Wir werden große, nicht zu übersehende Löcher in den Teil der Bahnstrecke machen, die an diesem Tag allein dem Castortransport vorbehalten ist." Es bestehe kein Grund zur Sorge, dass der Castor entgleisen könnte.

   Am Rande der Großdemonstration kritisierten Spitzenpolitiker der Grünen die Atompolitik der Regierung. Es sei "zynisch und eine Provokation der Bevölkerung, dass die Laufzeiten für die Atomkraftwerke weiter verlängert werden und das Endlager Gorleben weiter gebaut wird", sagte Parteichefin Claudia Roth in Splietau. SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel forderte Merkel und die Chefs der vier Atomkraftwerksbetreiber in Deutschland zu einer Diskussion mit den Anti-Atomkraft-Demonstranten in Gorleben auf. "Frau Merkel und ihre vier Freunde sind es, die einen gesellschaftlichen Großkonflikt wieder eröffnet haben, der durch den Atomausstieg längst befriedet war", sagte Gabriel.


 

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.