Dramatische Lage in Italien

Millionen in Sperrzone: 'Nicht einmal in Kriegszeit so'

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Norden Italiens wird zum Sperrgebiet: "Unser Leben ändert sich komplett" 

Für die Betroffenen in der Sperrzone in Italien ändert sich das Leben komplett. "Ich glaube nicht einmal in Kriegszeiten oder während des Terrors hat es so starke Restriktionen für das Leben den Menschen gegeben", sagt Andrea Cortesi, der mit seiner Familie in der norditalienischen Stadt Reggio Emilia lebt, am Sonntag gegenüber der APA am Telefon.
 
 In den seit Sonntag abgeriegelten italienischen Provinzen herrscht große Ungewissheit. "Wir versuchen gerade zu verstehen, was das konkret bedeutet und wir haben überhaupt keine Ahnung, was morgen passieren wird", sagt der 44-Jährige. Bisher hat sich unser Leben nur wenig geändert, "aber ich denke morgen wird alles anders, unser Leben wird sich zu 90 Prozent verändern". Die Familie bleibt zu Hause oder geht spazieren, "aber nicht an dahin, wo viele Leute sind". Die Kontakte beschränken sich auf die Familie, Freunde treffen sie keine mehr.
 
Millionen in Sperrzone: 'Nicht einmal in Kriegszeit so'
© APA

Probleme im Alltag

"Den Einkauf bestellen wir über das Internet, damit wir nicht in den Supermarkt müssen", erzählt Cortesi. "Aber ich habe keine Ahnung, ob das Gemüsekistchen, das wir sonst wöchentlich von einer Genossenschaft vor die Haustür bekommen, diese Woche auch geliefert wird." Überhaupt werde sich erst Montagfrüh herausstellen, was die neuen Regeln wirklich bedeuten. "Wie wird das funktionieren die nächsten vier Wochen? Wer wird zur Arbeit erscheinen?", fragt er.
 
Cortesi selbst kann nicht an seinen Arbeitsplatz in Bologna, da dieser außerhalb der Roten Zone liegt. Die Provinz Reggio Emiglia ist seit Sonntag abgeriegelt. Seine Frau Francesca, die fürs Jugendamt arbeitet, weiß noch nicht, ob sie morgen in die Arbeit gehen muss. Es gab bisher keine Informationen, wie die Arbeit, zu der auch Kundenkontakt und Hausbesuche gehören, weitegeführt wird. Bereits bisher waren die Schulen und Kindergärten in der ganzen Region Emilia Romagna geschlossen, die Großeltern kümmerten sich daher um die beiden Kinder der Familie.
 
"Die Botschaft der Regierungsmaßnahmen war klar: Wir müssen unsere Lebensweise komplett ändern", meint der 44-jährige Angestellte. Sorgen mache er sich hauptsächlich um die Großeltern. "Wir selbst haben keine Angst, es ist nicht Ebola, sondern eher wie eine Grippe."
 

Ein Viertel von Italiens Bevölkerung unter Quarantäne

Wegen der Coronavirus-Epidemie stehen in Italien nun rund ein Viertel der Bevölkerung unter Quarantäne. Die Regierung in Rom erließ am Sonntag ein grundsätzliches Ein- und Ausreiseverbot für Gebiete in Norditalien mit insgesamt mehr als 15 Millionen Einwohnern, zu denen auch die Wirtschaftsmetropole Mailand und der Touristenmagnet Venedig gehören. Während in China die Zahl der Neuinfektionen erneut zurückging, breitete sich das Virus in anderen Weltregionen weiter aus.
 
Wie Italiens Regierungschef Giuseppe Conte via Twitter mitteilte, gilt die in Europa beispiellose Quarantäne für große Teile Norditaliens von Sonntag an bis zum 3. April. Ausnahmen bei dem grundsätzlichen Ein- und Ausreiseverbot sind nur aus nachgewiesenen dringenden beruflichen oder familiären Gründen und in gesundheitlichen Notfällen möglich.
 
Das Dekret sieht außerdem ein Verbot aller kulturellen, sportlichen und religiösen Veranstaltungen vor. Museen, Kinos, Theater, Diskotheken, Tanzschulen und ähnliche Einrichtungen müssen vorerst ebenso schließen wie Wintersport-Stationen. Die Schulen und Universitäten sind bereits seit Donnerstag in ganz Italien geschlossen.
 
Bars und Restaurants dürfen in den Quarantänegebieten nur ihren Betrieb fortsetzen, wenn ein Mindestabstand zwischen den einzelnen Gästen und Mitarbeitern von einem Meter eingehalten wird. Diese Regelung betrifft auch religiöse Orte wie Kirchen, Zeremonien wie Taufen oder Hochzeiten müssen verschoben werden.
 
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