Eine Minderheitsregierung wäre eine Option.
Das Scheitern der Jamaika-Sondierungen stürzt Deutschland in politische Ungewissheit. Bleibt die SPD bei ihrer Aussage, der Union nicht für eine weitere Große Koalition zur Verfügung zu stehen, könnte es entweder zu einer Minderheitsregierung kommen oder es wird neu gewählt. Den verfassungsrechtlichen Rahmen für Neuwahlen beschreiben die Artikel 63 und 68 des Grundgesetzes.
NEUWAHLEN NACH ARTIKEL 68
Neuwahlen gab es in der Geschichte der Bundesrepublik zweimal. Da das Parlament sich anders als in vielen Staaten nicht selbst auflösen kann, wurde der Weg über Artikel 68 gegangen und war umstritten. Sowohl Kanzler Helmut Kohl (CDU) 1982 als auch Gerhard Schröder (SPD) im Jahr 2005 wählten den Weg über ein Misstrauensvotum des Bundestages, das sie selbst provoziert hatten. Das Parlament verweigerte jeweils wie gewünscht das Vertrauen, sodass der Bundespräsident es auflöste. Binnen 60 Tagen muss dann neu gewählt werden.
Dieser Weg ist der amtierenden Kanzlerin Angela Merkel jedoch versperrt, da der aktuelle Bundestag ihr bisher noch gar nicht das Vertrauen ausgesprochen hat und es also auch nicht entziehen kann.
MINDERHEITSREGIERUNG
Möglich wäre für Angela Merkel - oder auch einen anderen Kandidaten - theoretisch auch eine Minderheitsregierung. Dafür müsste sich der Kandidat auf Vorschlag des Bundespräsidenten zur Wahl stellen im Wissen, dass er die absolute Mehrheit im Parlament voraussichtlich verfehlen wird. In diesem Fall kann der Bundestag innerhalb von 14 Tagen erneut wählen. Bekäme Merkel beispielsweise dann wie erwartet erneut nicht mehr als die Hälfte der Bundestagsabgeordneten hinter sich, würde unmittelbar darauf erneut abgestimmt. Im dritten Wahlgang reicht für die Kanzlerwahl die einfache Mehrheit. Der Bundespräsident hat dann die Entscheidung: Innerhalb einer Woche kann er den Bundestag dennoch auflösen, was Neuwahlen bedeuten würde. Oder der Bundespräsident könnte Merkel dann zur Kanzlerin einer Minderheitsregierung ernennen.
WIE EINE MINDERHEITSREGIERUNG FUNKTIONIERT
Das bedeutet aber, dass etwa Merkel sich dann für Gesetzes-Beschlüsse nicht auf sichere Unterstützung verlassen könnte, die zuvor in den Koalitionsverhandlungen abgesichert wurde. Dies war beispielsweise in der Großen Koalition in der vergangenen Wahlperiode fast immer der Fall.
Selbst wenn Merkel nun beispielsweise ein festes Bündnis mit den Grünen geschlossen hätte, müsste sie dann beispielsweise für den Beschluss des Bundeshaushaltes Stimmen aus anderen Fraktionen gewinnen - also von FDP, Linken, SPD oder AfD. Die Regierenden würden sich dann vermutlich besonders um SPD oder FDP bemühen und müssten entsprechende Kompromisse eingehen. Dies gilt für jeden Beschluss des Parlaments. Wobei sich die Union und Grüne wohl politisch eine Mehrheit mit extremen Parteien wie Linken oder AfD kaum leisten könnten.
Daher gibt es an dieser Variante erhebliche Zweifel: Eine solche Regierung wäre auch in internationalen Fragen wenig stabil. Dies werde aber von Deutschland erwartet, sagt etwa der Grünen-Politiker Jürgen Trittin. Er glaubt daher, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier statt der Minderheitsregierung den Weg der Neuwahlen gehen würde. Die meisten öffentlichen Äußerungen anderer Politiker gehen in die gleiche Richtung.
NEUWAHLEN NACH ARTIKEL 63
Wenn der Bundespräsident den nur mit einfacher Mehrheit gewählten Kandidaten nicht zum Kanzler ernennt, löst er den Bundestag auf. Binnen 60 Tagen muss es dann Neuwahlen geben. Trittin rechnet damit gegen Ostern 2018. Nach letzten Umfragen würde sich an den Mehrheitsverhältnissen zwischen den Parteien allerdings nichts Gravierendes ändern. Bleibt die SPD bei ihrer Oppositionsrolle, könnten Union, Grüne und FDP erneut zusammensitzen.