Deutscher Kriminalpsychologe

Nach Lena-Mord: Polizisten besser schulen

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Egg: "Da ist auf jeden Fall einiges schief gelaufen".

Der Tatverdächtige im Mordfall Lena hatte sich bereits 2011 wegen Pädophilie selbst angezeigt, doch der Polizeiapparat reagierte zu langsam. Solche Fehleinschätzungen könnten durch spezielle Schulungen für Polizisten vermieden werden, sagt der Direktor der Kriminologischen Zentralstelle des deutschen Bundes und der Länder, Rudolf Egg, im Interview.

Werfen Sie der Polizei im Fall Lena Versagen vor?

Egg: "Mit Vorwürfen sollte man vorsichtig sein, aber da ist auf jeden Fall einiges schief gelaufen. Dass zum Beispiel ein Durchsuchungsbefehl drei Monate lang nicht vollstreckt wird, ist nicht in Ordnung. Offenbar hat auch der Beamte, der die Selbstanzeige von Lenas späterem Mörder aufgenommen hat, den Vorfall nicht richtig weitergeleitet. Aber die ganze Schuld jetzt diesem einen Beamten zuzuschieben, wäre falsch. Hier gab es offenbar ein strukturelles Problem der Zusammenarbeit."

Hätte die Polizei den Tatverdächtigen bei seiner Selbstanzeige festhalten müssen?

Egg: "Nein, es gab offenbar keinen Anlass für eine Untersuchungshaft. Nicht jeder, der Kinderpornografie besitzt, wird zum Mörder. Solches Material ist weit verbreitet, da gibt es ein großes Dunkelfeld. Der Beamte, der die Anzeige aufgenommen hat, hätte das Jugendamt informieren und weitere Ermittlungen veranlassen sollen, um zu prüfen, wie gefährlich der Jugendliche ist. Der Durchsuchungsbefehl hätte dann so rasch wie möglich vollstreckt werden müssen. Je länger man damit wartet, desto mehr Beweise können verschwinden. Zu meiner Überraschung schrieb mir ein Jugendrichter aus Bremen, dass solche Verzögerungen gar nicht so selten sind."

Was muss die Polizei aus diesem Fall lernen?

Egg: "Man sollte fragen, ob überall genügend Polizisten vor Ort sind, die genügend geschult sind, die Gefährlichkeit Pädophiler richtig einzuschätzen. In Großstädten, wo die Polizei häufiger mit Sexualstraftaten konfrontiert ist, gibt es dafür eher Experten als in kleineren Orten wie Emden. Die Polizeibehörden müssen deshalb enger vernetzt sein, sollten sich aber auch mit externen Stellen wie Jugendbehörden besser abstimmen. Ob man allerdings mit solchen Maßnahmen den Mord an Lena hätte verhindern können, das kann man natürlich nicht wissen."
 

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