Links-Politiker darf sich damit wieder um Amt bewerben.
Ein Verfassungsrichter in Brasilien hat die Strafurteile gegen Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva am Montag aufgehoben und das Verfahren an ein Bundesgericht in Brasília verwiesen. Der nach wie vor populäre Links-Politiker könnte damit nach aktuellem Stand bei der Präsidentenwahl im kommenden Jahr gegen den rechtsradikalen Amtsinhaber Jair Bolsonaro antreten. Dieser kritisierte die Richterentscheidung. Die Generalstaatsanwalt will Berufung einlegen.
Die Entscheidung schlug in dem lateinamerikanischen Land am Montag wie eine Bombe ein. Richter Edson Fachin sprach einem Gericht in der südbrasilianischen Stadt Curitiba am Montag überraschend die Zuständigkeit zur Verhandlung von Korruptionsvorwürfen gegen Lula ab und kassierte alle vier Urteile. Die Fälle müssen nun vor dem Bundesgericht in Brasília neu aufgerollt werden. Werden die Urteile dort nicht wieder in Kraft gesetzt, darf der 75-Jährige bei der Wahl kandidieren. Brasiliens Generalstaatsanwaltschaft kündigte an, gegen die Entscheidung des Verfassungsrichters beim gesamten Obersten Gerichtshof Einspruch einzulegen.
Korruptionsaffäre
"Dies ist die Anerkennung, dass wir während dieses langen Rechtsstreits Recht hatten", erklärten hingegen Lulas Anwälte. Seine Arbeiterpartei PT verkündete stolz im Kurzbotschaftendienst Twitter: "Lula unschuldig". Die Fälle gehen auf Ermittlungen in der Korruptionsaffäre "Lava Jato" (Autowäsche) um den staatlichen Ölkonzern Petrobras zurück: Petrobras soll zu überteuerten Bedingungen Aufträge an Baukonzerne und andere Firmen vergeben haben; diese wiederum zahlten Bestechungsgelder an Politiker und Parteien. Im Zuge der jahrelangen Ermittlungen zum größten Korruptionsskandal in der Geschichte des Landes landeten eine Reihe von Politikern und Managern im Gefängnis, unter ihnen auch Lula.
Das Gericht in Curitiba befand den Ex-Präsidenten unter anderem für schuldig, auf diese Weise eine Luxuswohnung erhalten und illegale Gelder an seine Stiftung geleitet zu haben. Der ehemalige Metallarbeiter, der von 2003 bis 2010 an der Staatsspitze stand, wies die Vorwürfe stets als politisch motiviert zurück. Doch sein Image wurde schwer beschädigt.
18 Monate Haft
Lula verbrachte 18 Monate in Haft, bevor er im November 2019 wieder auf freien Fuß kam - seine Anwälte hatten seine Freilassung nach einer Entscheidung des Obersten Gerichts beantragt, wonach Verurteilte erst nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel inhaftiert werden können. Aufgrund seiner Verurteilung durfte Lula auch bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2018 nicht antreten. In den Umfragen hatte er zuvor stets in Führung gelegen. Auch jüngsten Erhebungen zufolge hätte der nach wie vor populäre Links-Politiker gute Chancen, den Rechtsaußen Bolsonaro abzulösen.
Laut einer Umfrage des Ipec-Instituts vom vergangenen Sonntag wäre Lula auch bei der Wahl im Oktober 2022 der einzige ernstzunehmende Herausforderer von Bolsonaro und könnte sogar mehr Stimmen auf sich vereinen als der Amtsinhaber. Aber der Ex-Präsident bleibt umstritten: Die Nachricht von der Entscheidung des Obersten Gerichts zu seinen Gunsten ließ die Börse in São Paulo um vier Prozentpunkte abstürzen.
Richter Fachin habe "immer eine starke Verbindung zur PT gehabt", prangerte Bolsonaro die Entscheidung bei einer Erklärung vor dem Präsidentenpalast an. Er glaube nicht, dass die Brasilianer 2022 einen PT-Kandidaten haben wollten - "erst recht nicht ihn". Lulas Anhänger ließen den Vorwurf nicht gelten und verwiesen stattdessen auf die Beteiligung des damaligen Richters Sergio Moro an den Prozessen gegen Lula. Moro wurde unter Bolsonaro später Justizminister.
Lula hatte Lateinamerikas bevölkerungsreichstes Land und größte Volkswirtschaft zwischen 2003 und 2011 regiert. Als Galionsfigur der Linken leitete er populäre Sozialreformen ein. 2018 wurde er wegen Bestechlichkeit verurteilt. Er verbrachte eineinhalb Jahre hinter Gittern, bevor der Oberste Gerichtshof entschied, dass er gegen das Urteil in Berufung gehen könne, ohne im Gefängnis sitzen zu müssen. Lula hat stets seine Unschuld beteuert und die Vorwürfe als politisch motiviert bezeichnet.