Der Schulterschluss des ungarischen rechtsnationalen Premiers Viktor Orbán mit dem als "Ungarn-Hasser" bezeichneten rumänischen Rechtspopulisten und Präsidentschaftskandidaten George Simion hat für einen Eklat in Rumänien wie in Ungarn gesorgt.
Die Partei der ungarischen Minderheit in Rumänien, UDMR, bezeichnete die Unterstützung von Simion als immensen Fehler. Dieser bedankte sich auf "X" umgehend bei Orbán und betonte: "Wir müssen den Kampf gemeinsam gewinnen."
Orbán hatte in einer Rede erklärt, er stimme mit den Worten Simions, Vorsitzender der rechtsextremen Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR), überein, dass jetzt "die Zeit für ein Europa der Nationen, ein christliches Europa" gekommen sei. Ungarn werde sich nicht gegen Rumänien stellen, sondern wolle vielmehr gemeinsam für Souveränität und Christentum kämpfen, hatte Orbán zugesichert.
Simion machte inzwischen mit Orbáns Worten Wahlkampf. Auf Facebook und Instagram verbreitete er mittels bezahlter Werbung ein Video mit rumänischen Untertiteln mit einem Auszug aus der Orbán-Rede, wie das ungarische Onlineportal "Atlatszo.hu" berichtete. Dieses Video sei vor allem in den von Ungarn bewohnten Landkreisen Rumäniens angeklickt worden.
Ungarnpartei übte scharfe Kritik
Der UDMR, der bisher mit Orbán sympathisierte, reagierte mit scharfer Kritik und bezeichnete eine Wahl Simions zum rumänischen Präsidenten als "Katastrophe" für die ungarische Volksgruppe. Simion sei "kein Freund der Ungarn und wird es auch nie sein", betonte der UDMR-Vorsitzende Hunor Kelemen auf Facebook. Simion sei weder ein Christ noch ein Souveränist, wie er sich selbst bezeichne, sondern offen anti-ungarisch. Zugleich wurden die Wähler aufgerufen, Simion bei der Stichwahl am kommenden Sonntag zu stoppen und stattdessen den parteilosen liberalen Bürgermeister von Bukarest, Nicușor Dan, zu unterstützen.
Kelemen erinnerte weiter daran, dass sich Simion "auf den Gräbern unserer Vorfahren tanzend in die Landespolitik hinaufgeturnt hat". Simion hatte 2019 an einer Aktion rumänischer Nationalisten auf einem ungarischen Soldatenfriedhof aus dem Ersten Weltkrieg teilgenommen, bei der gegen die Proteste von Vertretern der ungarischen Minderheit Gedenkkreuze für rumänische Soldaten aufgestellt wurden.
Simion habe zudem Hunderte von Klagen gegen den Gebrauch der ungarischen Sprache und ungarischer nationaler Symbole eingereicht, so Kelemen weiter. Auf dem rumänischsprachigen Kanal von Euronews hatte Simion erklärt, die ethnischen Ungarn seien gute Bürger Rumäniens, diejenigen jedoch, die Konflikte mit den Rumänen schürten, in den "Mülleimer der Geschichte" gehörten.
Politologe: Orbán sucht in Simion einen EU-Veto-Partner
Im Hintergrund des Schulterschlusses Orban-Simion sieht der ungarische Politologe Zoltán Lakner die Suche Orbáns nach einem Veto-Partner in der Europäischen Union. Deswegen habe er sich hinter Simion gestellt. Und wenn sich die Frage stelle, ob Orbán dafür die Interessen der ungarischen Minderheit im Ausland zurückstellt, dann werde er das tun. Während Simion sich durch die Unterstützung Orbáns mehr Stimmen aus dem Kreis der Wähler der ungarischen Minderheit erhofft, baut Orbán als Gegenleistung zugleich auf die Änderung der anti-ungarischen Haltung Simions. Im Europäischen Rat wird Rumänien vom Staatspräsidenten vertreten.
Obwohl der ungarische Premier nicht offen zu Simions Wahl aufgefordert habe, so habe er seine Unterstützung dennoch eindeutig zum Ausdruck gebracht, konstatierte Lakner in einer Online-Sendung des Nachrichtenportals "Telex". Der Politologe erinnert weiter daran, dass die ungarische rechtsnationale Regierungspartei Fidesz vor einem Jahr ihre Entscheidung, nicht der Parteifamilie der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) nicht beizutreten, damit begründete, dass dieser auch die anti-ungarische AUR angehöre.
Schadensbegrenzung nach Vertrauensbruch
Zur Schadensbegrenzung gehörte ein Telefonat Orbáns mit Kelemen, in dem er erklärte, dass für Budapest die Interessen der ungarischen Gemeinschaft in Rumänien Vorrang genießen. Auch der ungarische Parlamentspräsident László Kövér brachte sich ein. Ungarn wolle sich nicht in die Wahlen eines anderen Landes einmischen und unterstütze keinen Präsidentschaftskandidaten. Kövér teile die Bedenken der ungarischen Volksgruppe Simion gegenüber, betonte jedoch: "Gleichzeitig gehen wir mit jedem potenziellen Partner eine potenzielle Zusammenarbeit ein." Diese Einstellung stünde auch hinter den Äußerungen des Premiers, erklärte der Fidesz-Politveteran.
Opposition bezichtigt Orbán des Verrates an der Minderheit
Wegen des Vertrauensbruchs könnte Orbán auch bei den Parlamentswahlen 2026 Stimmen der wahlberechtigten rumänisch-ungarischen Doppelstaatsbürger verlieren, konstatierte das Onlineportal "168.hu".
Die ungarische Opposition kritisierte Orbán für dessen Unterstützung Simions. Péter Magyar, Vorsitzender der in Umfragen führenden Partei Respekt und Freiheit (TISZA), warf Orbán "Verrat" an der Minderheit jenseits der Grenze vor. Der Premier würde sich hinter dem Rücken der Minderheit mit ungarnfeindlichen Politikern verbünden und inzwischen Lügen über Souveränität und Christentum verbreiten, kritisierte der Chef der stärksten Oppositionspartei. Laut den ungarischen Sozialisten (MSZP) habe Orbán die Würde der ungarischen Volksgruppe mit Füßen getreten, indem er sich an die Seite Simions stellte. Die Partei forderte die Orbán-Regierung auf, den Schutz der ungarischen nationalen Gemeinschaften nicht geopolitischen Spielen zu opfern.
In Rumänien leben rund 1 Million Angehörige der ungarischen Volksgruppe. Dabei sieht sich die Regierung Orbán als Fürsprecher der Auslandsungarn, was immer wieder Zündstoff war für Spannungen mit den Nachbarländern. Dazu trug auch bei, dass die Regierung seit 2011 ungarische Staatsbürgerschaften und damit auch das Wahlrecht an ethnische Ungarn im Ausland vergibt.