Europaministerin

Plakolm kündigt bei Antrittsbesuch in Berlin Westbalkanreise an

Bei ihrem eintägigen Deutschland-Besuch am Dienstag ging es Europaministerin Claudia Plakolm (ÖVP) nicht nur um Migrations- und Integrationsfragen, sondern auch um die Vorbereitung ihrer  Westbalkanreise. Sie wird Anfang Oktober für sechs Tage in allen sechs Ländern des Westbalkans reisen.

"Die EU muss nach über zwanzig Jahren die bisherigen Versprechen einlösen, bevor sie neue macht", sagte Plakolm zur APA in Berlin. Österreich sei seit Jahrzehnten ein starker Verbündeter der Staaten des Westbalkans und habe selbst großes Interesse, dass die Erweiterungspolitik der EU endlich Fortschritte mache. Montenegro beispielsweise erfülle die Reformvorgaben und sei ein Vorbild für die Region.

"Wenn wir als EU unsere Hausaufgaben im Westbalkan nicht machen, dann machen es andere. Wir sehen tagtäglich wachsende Einflüsse aus Russland, China, den USA, Saudi-Arabien und der Türkei. Aber der Westbalkan gehört zu Europa."

Verständnis für nachlassende EU-Euphorie am Westbalkan

Dass die EU-Euphorie stark nachgelassen habe, verstehe sie, sagte Plakolm. "Wenn man vor über zwei Jahrzehnten das Versprechen bekommen hat, Teil der EU zu werden, und wenn man das wie eine Karotte hingehalten bekommt, inzwischen aber alles in weite Ferne rückt, verstehe ich diesen Unmut." Deswegen müssten auf beiden Seiten die Versprechen eingelöst werden. Die EU müsse zeigen, dass sie handlungsfähig sei und im Erweiterungsprozess vorankomme. "Die jungen Menschen in den Westbalkanländern sind mit diesem Versprechen aufgewachsen. Die kennen nichts anders als: 'Bald sind wir Teil der EU.' Aber wann ist dieses 'bald'?", so Europaministerin Plakolm.

Der österreichische Zugang der graduellen Integration sei ein wichtiger Anreiz, im täglichen Leben der Menschen die europäische Perspektive spürbar zu machen. Im gemeinsamen Binnenmarkt solle es schon vor dem formellen Beitritt Öffnungsschritte geben. Auch die Angleichung der Roaminggebühren sei ihr ein Anliegen. Sie sei es gewesen, die in der Diskussion der europäischen Partner über die Roaminggebühren in der Ukraine gemahnt habe, nicht den Westbalkan zu vergessen. "Ich plädiere für klare Prozesse und kein Schnellverfahren. Aber sie brauchen ein Zeichen, dass es sich auszahlt, an Reformen zu arbeiten." Wenn in wenigen Jahren Montenegro und Albanien als Frontrunner aufgenommen werden würden, sei dies ebenfalls ein Zeichen für alle jungen Menschen.

Dass im jüngsten Eurobarometer das erweiterungsskeptische Österreich an drittletzter Stelle aller EU-Staaten stehe (nur noch vor Tschechien und Frankreich), zeige, dass endlich Fortschritte nötig seien. Zu den klaren Voraussetzungen gehöre die Angleichung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), wobei Montenegro alle Sanktionen der EU mittrage.

Sorgenkind Wettbewerbsfähigkeit

Zu ihren größten Sorgen in der EU gehöre die Wettbewerbsfähigkeit. "Unser Standort verliert an Bedeutung, weil wir extrem hohe Berichtspflichten und extrem hohe Bürokratie haben - und weil sich die Unternehmen in Europa nicht auf Innovation und Forschung konzentrieren können, sondern im Gegenteil auf viel Schriftwerk und Regelwerk. Es ist leider wahr, dass Amerika die Innovation, Asien die Produktion und Europa die Regulation vorantreibt." Zu diesem klaren Wettbewerbsnachteil kämen die hohen Energiepreise und hohen Personalkosten. "Dieses Dreieck sind denkbar ungünstige Voraussetzungen für unseren Wirtschaftsstandort."

Als Integrationsministerin hoffe sie, dass das Kinderkopftuchverbot möglichst bald - kolportiert wird der morgige Ministerrat - beschlossen werde.

Gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik

Sie plädiere dafür, endlich europaweit die gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik umzusetzen. Österreich habe großen Druck gemacht, bis sich immer mehr Länder der österreichischen Position angeschlossen hätten. Europa müsse den Außengrenzschutz ernst nehmen, die Rückführungsverordnung umsetzen, Asylzentren an den Außengrenzen installieren, die Liste der sicheren Herkunftsländer überarbeiten und die Auslegung der europäische Menschenrechtskonvention neu diskutieren. Das Dublin-System und das europäische Regelwerk hätten in den zehn Jahren seit der Flüchtlingswelle den Praxistest nicht bestanden.

In Deutschland habe Österreich bei vielen Vorhaben einen wichtigen Verbündeten, wie sie in ihren Berlin-Gesprächen mit Kanzleramtsminister Thorsten Frei und Gunther Krichbaum, Europastaatssekretär im Auswärtigen Amt (beide CDU), bestätigt sah.

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