Türkei

Proteste gegen Erdogan gehen weiter

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Straßenschlacht in Istanbul - Ärzte in Ankara sprechen von hunderten Verletzten.

In der Türkei haben die Proteste gegen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan und seine islamisch-konservative Regierung in der dritten Nacht in Folge angedauert. Bis zum Montagmorgen ging die Polizei in Istanbul gegen tausende Demonstranten vor. Es kam erneut zu gewaltsamen Zusammenstößen.

Die Demonstranten hatten sich in Istanbul bei Erdogans Büro versammelt. Die Menge rief "Diktator, tritt zurück! Wir wehren uns, bis wir gewinnen." Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Auch auf dem mehrere Kilometern entfernten Taksim-Platz gingen die Proteste weiter. Die Demonstranten werfen Erdogan einen zunehmend autoritären Stil vor.

In der Hauptstadt Ankara hatte die Polizei bereits am Sonntagnachmittag Wasserwerfer und Tränengas gegen rund 1000 Demonstranten eingesetzt, die zu Erdogans Hauptstadt-Büro vordringen wollten. In mehreren Wohngebieten Ankaras und Istanbuls ertönten am Abend Pfeif- und Topfschlag-Konzerte, viele Einwohner schalteten zum Zeichen des Protestes das Licht in ihren Wohnungen ein und aus.

Die Türkei wird seit dem Wochenende von den schwersten Protesten seit einem Jahrzehnt erschüttert. Diese hatten ursprünglich am Dienstag mit Kundgebungen gegen ein Bauprojekt in einem Park unweit des Taksim-Platzes in Istanbul begonnen. Nach einem als unverhältnismäßig kritisierten Einsatz der Polizei nahmen sie inzwischen aber eine allgemein regierungskritische Wendung und weiteten sich auf das ganze Land aus.

Nach Angaben von Innenminister Muammer Güler wurden seit Dienstag 235 Kundgebungen in 67 Städten registriert. Seit Freitag wurden demnach mehr als 1700 Menschen festgenommen, von denen aber ein Großteil nach kurzer Zeit wieder freikam. Laut Güler wurden 58 Zivilisten und 115 Sicherheitskräfte verletzt. Die Ärztegewerkschaft von Ankara sprach dagegen von hunderten Verletzten.

Außenminister Ahmet Davutoglu rief zu einem Ende der Proteste auf. Sie könnten das "Ansehen" des Landes in der Region und der Welt beschädigen, warnte er auf dem Internet-Kurzbotschaftendienst Twitter.

Erdogan räumte am Wochenende ein, dass die Polizei in einigen Fällen "extrem" reagiert habe. Gleichzeitig aber bekräftigte er, an dem Bauvorhaben in Istanbul festhalten zu wollen. Zudem kündigte der Regierungschef, dem die Demonstranten auch eine "Islamisierung" der Gesellschaft vorwerfen, den Bau einer Moschee auf dem Taksim-Platz an. "Ja, wir werden eine Moschee bauen. Und dafür werde ich weder die Opposition noch eine paar Plünderer um Erlaubnis fragen", sagte er am Sonntag. Diese habe er bereits von seinen Wählern, fuhr er fort.

Die Europäische Union verurteilte das gewaltsame Vorgehen der türkischen Polizei gegen die Demonstranten. EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton kritisierte in einer Erklärung den "unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt durch Mitglieder der türkischen Polizei". Sie äußerte "Besorgnis" angesichts der Eskalation bei den Protesten. Beide Seiten müssten in Dialog treten, um eine "friedliche Lösung" des Konflikts zu finden. In Israel und Griechenland kam es zu Solidaritätskundgebungen. Am Samstag waren auch in Wien rund 1800 Demonstranten gegen Erdogan auf die Straße gegangen.

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