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oe24.TV-Interview

Habsburg: "Neutralität wird als Feigenblatt ausgelegt"

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Kaiser-Enkel Karl Habsburg war am Montagabend zu Gast bei FELLNER! LIVE. 

oe24.TV: Herr Habsburg, Sie sind in den letzten Monaten immer wieder in der Ukraine gewesen, haben auch in der nächsten Zeit wieder eine Reise geplant. Wie ist denn ihre Einschätzung zur aktuellen Lage?

Karl Habsburg: Es ist natürlich extrem schwer, diese Frage zu beantworten. In den Telefonaten, die ich mit Freunden in der Ukraine hatte, die haben natürlich schon gezeigt, dass man spürt, dass durch den Wandel der Politik in Washington eine entsprechende Reaktion erfolgt ist. Etwa, dass die Angriffe enorm stark erhöht wurden.

oe24.TV: Sie haben Amerika gerade angesprochen. Wie haben Sie denn diesen Eklat im Weißen Haus erlebt? War das eine Zeitenwende, was da zwischen US-Präsident Donald Trump, seinem Vize JD Vance und dem Ukraine-Präsidenten Wolodymyr Selenskyj passiert ist?

Habsburg: Ein derartiges Verhalten, wie es dort der amerikanische Präsident und der Vizepräsident an den Tag gelegt haben, das ist normalerweise undenkbar. Das ist das Schul-Hinterhof-Bullying-Verhalten, wo man einfach versucht hat, den ukrainischen Präsidenten in eine Falle hereinlaufen zu lassen. Das war einfach abstoßend. 

oe24.TV: Wie groß ist die Sorge, die Ihnen Donald Trump und seine Administration bereiten. Macht es Ihnen vielleicht sogar Angst?

Habsburg: Angst manchmal, ja. Sorge auf jeden Fall. Europa ist das größte Friedensprojekt nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen, die längste Friedensperiode, die man sich vorstellen kann. Und das wird jetzt plötzlich innerhalb von wenigen Wochen von Amerika zu Klump geschlagen. Eine positive Seite sehe ich schon, und das ist die, dass es so ein Weckruf für Europa ist. Wir müssen schauen, dass wir unsere eigene Sicherheitsstruktur, unsere eigene außenpolitische Struktur aufbauen. 

oe24.TV: Sie haben gerade die Sicherheitsstruktur angesprochen: Ist die Neutralität noch zeitgemäß?

Habsburg: Die Neutralität, so wie sie bei uns in der Verfassung steht, habe ich überhaupt kein Problem damit. So wie sie ausgelegt wird von verschiedenen Politikern, habe ich ein großes Problem damit. Weil sie als Feigenblatt ausgelegt wird und überall, wo ich nicht reinmischen möchte, sage ich: 'Nein, ich kann das nicht wegen der Neutralität'

oe24.TV: Braucht es eine gemeinsame EU-Armee?

Habsburg:  Eine Sicherheitsstruktur, ob das jetzt in der Form einer europäischen Armee, einer EU-Armee existiert oder was ähnliches, das wird die Zukunft weisen. 

oe24.TV: Kommen wir noch zu Wladimir Putin: Fürchten Sie eigentlich, dass Putin und Russland aufgrund dieses Machtvakuums, das jetzt vielleicht auch durch die neue Position der USA entstanden ist, Appetit bekommen, den Einfluss noch weiter Richtung Europa auszudehnen und vielleicht auch weitere Länder anzugreifen? 

Habsburg: Daran besteht überhaupt kein Zweifel. Er sagt es ja auch und der letzte Präsident Medwedew tut es in einer noch stärkeren Form. Er sagt, der Einflussbereich muss bis Lissabon ausgedehnt werden. Das ist ja nichts anderes als eine Kriegserklärung. Wir sehen es nur nicht so, aber es ist eine Kriegserklärung an alle europäischen Staaten im Grunde genommen, wobei natürlich manche Staaten wesentlich exponierter sind. 

oe24.TV: Soll die Ukraine in die Europäische Union aufgenommen werden?

Habsburg: Die Europäische Union ist für alle europäischen Staaten da. Die Ukraine ist zweifelsfrei ein europäischer Staat und soll auch in die Europäische Union aufgenommen werden. 

oe24.TV: Kommen wir abschließend noch kurz nach Österreich. Da stand bis vor kurzem noch eine Koalition aus FPÖ und ÖVP im Raum. Die FPÖ hat gerade, was den Ukraine-Krieg und Russland angeht, auch andere Ansichten als die jetzige Regierung. Sind Sie froh, dass es im Endeffekt nicht so gekommen ist?

Habsburg: Natürlich wünsche ich mir zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Regierung, die auch ganz klar hinter den europäischen Grundwerten steht und die gerne auch in der Ukraine und nach Maßgabe der Möglichkeit sogar in Russland umgesetzt sieht. 

oe24.TV: Herr Habsburg, vielen Dank für das Gespräch!

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