Brasiliens neuer Präsident sorgt mit Sagern zum Ukraine-Krieg für Aufregung.
Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat eine Vermittlungsinitiative Brasiliens und Chinas für eine Beendigung des Kriegs in der Ukraine vorgeschlagen. "Es ist notwendig, eine Gruppe von Ländern zu bilden, die stark genug ist und respektiert wird, und sich mit den beiden an einem Verhandlungstisch zusammenzusetzen", sagte Lula in einer Pressekonferenz mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz in der brasilianischen Hauptstadt Brasília am Montag (Ortszeit).
Er habe bereits mit Scholz und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron über die Initiative gesprochen, sagte Lula weiter. Der Linkspolitiker brachte sich selbst als Vermittler ins Spiel, um mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj oder dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu sprechen - ebenso wie China. "Unsere chinesischen Freunde spielen dabei eine sehr wichtige Rolle", sagte er. "Es ist Zeit, dass China anpackt."
Kritik an Selenskyj
Erneut kritisierte Lula den ukrainischen Präsidenten Selenskyj für seine Haltung im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. "Ich glaube, Russland hat den klassischen Fehler begangen, in das Territorium eines anderen Landes einzudringen", sagte er. "Aber ich denke immer noch: 'Wenn einer nicht will, streiten zwei nicht.'"
In der UNO-Vollversammlung gehörten Argentinien, Brasilien und Chile im März vergangenen Jahres zu den insgesamt 141 Ländern, die den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilten. Lula war im Mai 2022 - einige Monate vor seiner Wahl - mit Kritik an Selenskyj aufgefallen. "Dieser Typ ist für den Krieg genauso verantwortlich wie Putin", sagte Lula dem Magazin "Time". Es sei unverantwortlich von westlichen führenden Politikern, Selenskyj zu feiern, statt sich auf Verhandlungen hinter verschlossenen Türen zu konzentrieren. "Wir ermutigen diesen Typen - und dann denkt er, er sei das Sahnehäubchen."
Scholz hob beim Presseauftritt die Gemeinsamkeiten mit Lula hervor. "Wir beide verurteilen die russische Invasion", sagte der deutsche Kanzler. Er bekräftigte zugleich seine Positon, dass es keinen Frieden über die Köpfe der Ukrainer geben könne. Friedensgespräche seien immer an die Voraussetzung gebunden, dass Russland seine Truppen abziehe.
Keine Munition
Lula erteilte dem Wunsch Deutschlands, Munition für die an die Ukraine gelieferten Gepard- oder Leopard-Panzer zur Verfügung zu stellen, eine Absage. "Brasilien ist ein Land des Friedens. Und deswegen will Brasilien keinerlei Beteiligung an diesem Krieg, auch nicht indirekt", sagte er. "Brasilien hat kein Interesse, die Munition weiterzugeben, damit sie im Krieg zwischen der Ukraine und Russland benutzt wird."
Deutschland hat 30 Gepard-Flugabwehrpanzer in die Ukraine geliefert und sieben weitere zugesagt. Die Munition dafür ist allerdings knapp. Eine neue Fabrik des Rüstungsunternehmens Rheinmetall für die Herstellung dieser Munition entsteht zwar derzeit im niedersächsischen Unterlüß bei Celle. Die Fertigung soll aber erst im Juni beginnen. Im Juli soll die erste Charge ausgeliefert werden. Bereits im April vergangenen Jahres - kurz nach Kriegsbeginn - hatte Deutschland sich in Brasilien um Gepard-Munition bemüht und auf bis zu 300.000 Schuss gehofft. Jetzt steht fest, dass daraus nichts wird.
Schon während seiner vorhergehenden Besuche in Argentinien und Chile hatte Scholz versucht, Einigkeit in Bezug auf den Krieg in der Ukraine zu demonstrieren. Er dankte allen drei Ländern dafür, dass sie den Einmarsch Russlands im vergangenen Jahr auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen verurteilt haben. Die Folgen des Krieges und der harten Sanktionen gegen Russland - wie der Anstieg der Lebensmittel- und Energiepreise - haben die Region jedoch besonders hart getroffen und werfen in Südamerika Fragen über das Vorgehen des Westens auf.
Die Staats- und Regierungschefs Argentiniens und Chiles hatten während des Besuchs des Bundeskanzlers den russischen Angriff zwar deutlicher verurteilt als Lula, dämpften jedoch auch die Hoffnung auf Unterstützung für die Kriegsanstrengungen der Ukraine. "Argentinien und Lateinamerika haben nicht vor, Waffen in die Ukraine oder ein anderes Konfliktgebiet zu schicken", sagte der argentinische Präsident Alberto Fernandez am Samstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz in Buenos Aires. Der chilenische Präsident Gabriel Boric wich bei Scholz' Besuch der Frage aus, ob er mit Argentinien übereinstimme, keine Waffen zu liefern: Chile habe versprochen, der Ukraine beim Wiederaufbau nach dem Krieg zu helfen, zum Beispiel bei der Minenräumung, erklärte Boric.