Sjewjerodonezk und Lyssytschansk

Nach Mariupol greift Putin die nächsten Städte an

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Die Ukraine fürchtet nach dem Fall der strategisch wichtigen Hafenstadt Mariupol massive neue russische Angriffe in anderen Teilen des Landes. Im Osten gab es am Sonntag schwere Gefechte. 

Russland intensiviert nach ukrainischen Angaben seine Luftangriffe in der gesamten Ukraine. Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete die Lage im Gebiet Donbass als "äußerst schwierig". Zugleich forderte er vom Westen noch strengere Sanktionen gegen Moskau.

Eroberung Mariupol

Die Eroberung von Mariupol - einer Stadt mit einst fast 500.000 Einwohnern - bedeutet für Russlands Präsidenten Wladimir Putin den bisher größten Erfolg. Im dortigen Stahlwerk gaben die letzten von mehr als 2.400 ukrainischen Kämpfern am Freitagabend nach vielen Wochen auf. Ihr Schicksal ist ungewiss. Als Kriegsgefangene stehen sie eigentlich unter Schutz. Der russische Außenpolitiker Leonid Sluzki brachte auch einen Austausch gegen den prorussischen Politiker Viktor Medwedtschuk ins Spiel. Später erklärte er, die Kämpfer müssten vor Gericht gestellt werden. An diesem Montag wird in der Ukraine im ersten Kriegsverbrecherprozess gegen einen 21 Jahre alten russischen Soldaten das Urteil erwartet.

Nächste Städte im Visier

Die Russen versuchen nun insbesondere, die Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk im Gebiet Luhansk schnell unter Kontrolle zu bringen. In Moskau berichtete das Verteidigungsministerium von mehr als 580 Angriffen. Die russische Armee setze "ihre Raketen- und Luftangriffe auf das gesamte Territorium" fort und habe "die Intensität erhöht", erklärte der Generalstab der ukrainischen Armee am Sonntag. Demnach setzt Moskau zunehmend die Luftwaffe ein, "um wichtige Infrastrukturen zu zerstören". Ukrainische Behörden bestätigten u.a. einen Raketenangriff auf die Ortschaft Malyn westlich von Kiew.

Das Verteidigungsministerium in Moskau hatte am Samstag erklärt, in Malyn mit "hochpräzisen seegestützten Langstreckenwaffen" eine bedeutende westliche Waffenlieferung zerstört zu haben. Die ukrainischen Behörden sprachen hingegen von Schäden an "ziviler Infrastruktur". Der Generalstab machte keine Angaben zu einer beschossenen Waffenlieferung.

Kämpfe im Donbass

In der östlichen Donbass-Region versuchen die russischen Truppen nach der kompletten Einnahme der Hafenstadt Mariupol nun offenbar, auch die letzten ukrainischen Stellungen zu erobern. In der Region Luhansk werden inzwischen nur noch die durch einen Fluss getrennten Städte Sewerodonezk und Lyssytschansk von der Ukraine kontrolliert.

Positionen ukrainischer Truppen würden in dem Bereich entlang der gesamten Frontlinie mit russischer Artillerie beschossen, teilte der Generalstab in Kiew am Sonntag mit. Russische Truppen versuchten demnach erfolglos, Ortschaften nördlich, östlich und südlich von Sjewjerodonezk zu stürmen. Ebenso hart werde um Dörfer südlich der Trasse von Lyssytschansk nach Bachmut im Donezker Gebiet gekämpft.

Selenskyj appellierte in einer neuen Videobotschaft an die Moral der eigenen Truppen. Jeder Tag, an dem Russlands Pläne durchkreuzt würden, sei ein Beitrag auf dem Weg zum Sieg. Vermutet wird, dass russische Soldaten, die bisher in Mariupol gebunden waren, nun anderswo einsetzt werden. Russland dürfte die komplette Kontrolle über die Gebiete Luhansk und Donezk erlangen wollen, um einen Landkorridor auf die 2014 annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim abzusichern.

Kriegsrecht verlängert

Mit der Verlängerung des Kriegsrechts machte die Ukraine indes deutlich, wie wenig Hoffnung auf Frieden besteht. Auch die Generalmobilmachung wurde bis zum 23. August verlängert - einen Tag später feiert die Ukraine ihre Unabhängigkeit. Das Kriegsrecht gibt dem Militär erweiterte Rechte und schränkt Freiheiten ein. Bis dato hatte es Selenskyj in drei Etappen für jeweils 30 Tage verhängt. Vom Westen verlangte er weitere Sanktionen. US-Präsident Joe Biden setzte unterdessen ein bereits beschlossenes Hilfspaket für die Ukraine von fast 40 Milliarden Dollar (38 Milliarden Euro) in Kraft.

Die Auswirkungen des Konfliktes reichen zunehmend über die Ukraine hinaus. So stellte Russland am Wochenende seine Gas-Lieferungen nach Finnland ein. Der Staatskonzern Gazprom begründete dies mit der Weigerung des Nachbarlands, in russischen Rubeln zu bezahlen. Der Lieferstopp dürfte aber auch in Zusammenhang mit Finnlands Entscheidung stehen, gemeinsam mit Schweden der NATO beitreten zu wollen. Das 5,5-Millionen-Einwohner-Land ist weniger stark von russischem Gas abhängig als zum Beispiel Deutschland. Die Energieversorgung dürfte nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

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