Die neuen russischen Rekruten werden ohne Ausbildung an die Front geschickt.
Mit zahlreichen Fehlern bei der Teilmobilmachung droht Russland nach Ansicht von Experten zunehmender Unmut in der Bevölkerung und im Verwaltungsapparat. Die Regierung stehe nicht nur vor der Herausforderung, in kürzester Zeit genug Männer einzuberufen, um in der Ukraine weiterkämpfen zu können, sondern müsse auch die verängstigte und verärgerte Bevölkerung beruhigen, schreibt das in Washington ansässige Institute for the Study of War (ISW).
Die neuen Soldaten seien dabei nicht mehr als „Kanonenfutter“ und werden ohne ausreichende Ausbildung an die Front geschickt. So sagte etwa ein frische rekrutierter Soldat, der dem 1. Panzerregiment zugeteilt wurde, in einem Video, dass er gar keine Ausbildung erhielt. Dennoch müsse er nun in der Region Cherson an vorderster Front kämpfen.
Fehler bei der Mobilmachung schüren Zorn unter Russen
Der Kreml spiele zwar die Verstöße gegen die Mobilisierungsgesetze vielerorts als Versagen einzelner örtlicher Beamter herunter. Doch die Fehler seien für die Bevölkerung zu offenkundig, um das zu glauben, heißt es in dem ISW-Lagebericht vom Montag (Ortszeit). Denn anders als bei den russischen Niederlagen in der Ukraine, die die Bevölkerung nicht direkt zu sehen bekomme, sei diese bei den Mobilisierungsfehlern nicht auf Medien angewiesen, um davon zu erfahren.
Berichte, dass etwa Männer eingezogen würden, die nie gedient hätten oder zu krank oder zu alt zum Kämpfen seien; oder dass Mobilisierte schlecht behandelt würden, verbreiteten sich mündlich, weil Familien ihrer Wut darüber Luft machten. Nach ISW-Angaben versucht der Kreml dieses Bild verstärkt mit Berichten zu korrigieren, denen zufolge fälschlich Einberufene nach staatlicher Intervention wieder aus den Rekrutenzentren entlassen wurden.
Die Regierung riskiert laut ISW aber auch, die Integrität ihres wichtigen Verwaltungsapparats zu untergraben, wenn weiter den lokalen Behörden die Schuld für Fehler gegeben wird, die sie nicht allein verantworten. Dabei verwies das Institut auf erste Fälle, in denen sich der Widerstand gegen die Mobilisierung direkt gegen die ausführenden Beamten vor Ort richtete, wie am Montag in der ostsibirischen Stadt Ust-Ilimsk, in der ein Reservist auf den Leiter einer Einberufungsstelle schoss. Zudem gab es in den vergangenen Tagen in Dutzenden Ortschaften Proteste gegen die Einberufung.