Heizung und Strom in belagerter Stadt ausgefallen.
Mariupol/Kiew/Moskau. In der belagerten südostukrainischen Hafenstadt Mariupol ist die Zahl der getöteten Zivilisten ukrainischen Angaben zufolge auf 1.582 gestiegen. Die humanitäre Lage in Mariupol sei katastrophal, hieß es weiter in einer Mitteilung des Stadtrats vom Freitagabend im Nachrichtenkanal Telegram. Mehrere Versuche, Menschen zu evakuieren, sind in den vergangenen Tagen gescheitert.
Nach Angaben der Stadt werden dringend Lebensmittel, Trinkwasser und Nahrungsmittel benötigt. Heizung und Strom sind ausgefallen. Viele Einwohner suchen in Kellern Schutz vor Angriffen. Auch am Freitag habe ein Hilfskonvoi aus der Stadt Saporischschja nicht bis nach Mariupol vordringen können, meldete die Agentur Ukrinform.
Der Statistik der Vereinten Nationen zufolge sind bisher landesweit etwas mehr als 560 tote Zivilisten belegt. Die Ukraine geht von deutlich höheren Zahlen aus.
Auch die prorussischen Donezker Separatisten verzeichnen steigende Totenzahlen in ihren Reihen. Seit dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine vor gut zwei Wochen seien bisher rund 200 Kämpfer getötet worden, teilten sie am Abend mit.
Russischer Militär-Konvoi vor Kiew zerstreut sich
Ein kilometerlanger Konvoi mit russischen Militärfahrzeugen vor der ukrainischen Hauptstadt Kiew zerstreut sich Angaben der US-Regierung stellenweise. Einige Fahrzeuge verließen die Straße und parkten in Baumreihen, sagte ein hoher US-Verteidigungsbeamter am Freitag. "Sie fahren nirgendwo hin. Es ist nicht so, dass sie nun querfeldein nach Kiew fahren." Vielmehr geht die US-Regierung davon aus, dass die Fahrzeuge sich so besser tarnen können.
"Die Ukrainer versuchen weiterhin, Wege zu finden, um Fahrzeuge anzugreifen", sagte der Beamte. Das Vorgehen habe eher keine taktischen Gründe, um das Vorankommen des Konvois zu beschleunigen, hieß es. Der Beamte konnte keine genauen Angaben dazu machen, wie weit Kiew bereits eingekesselt ist. Aus nordwestlicher Richtung sei das russische Militär etwa 15 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. "Kiew ist eine große Stadt", sagte er. Das bedeute daher, dass die russischen Soldaten an dieser Stelle in und rund um die Vororte der Hauptstadt vorgedrungen seien. An anderen Stellen seien sie noch weiter entfernt.
Russland meldet: Mariupol komplett eingeschlossen
Russland gibt einem Medienbericht zufolge eine komplette Einschließung der südlichen ukrainischen Hafenstadt Mariupol bekannt. Alle Brücken und alle Straßen in die Stadt sei nun zerstört oder von ukrainischen Streitkräften vermint worden, meldet die Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Moskau.
Zudem habe die Ukraine nur zwei der zehn Verläufe von humanitären Korridoren zugestimmt, die Russland vorgeschlagen habe. Darunter sei keine der Korridore, die nach Russland führen sollten. Die Angaben können von unabhängiger Seite nicht überprüft werden.
Selenskyj: Sind auf Siegeskurs
Die Ukraine ist nach Worten ihres Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf Siegeskurs. Man habe im Krieg gegen Russland einen "strategischen Wendepunkt" erreicht, sagte Selenskyj am Freitag in einer TV-Ansprache. Es brauche noch Zeit und Geduld, bis der Sieg erreicht sei. "Es ist unmöglich zu sagen, wie viele Tage wir noch brauchen, um ukrainisches Land zu befreien. Aber wir können sagen, dass wir es schaffen werden. Denn wir haben bereits einen strategischen Wendepunkt erreicht."
Selenskyj fordert die internationale Gemeinschaft auf, ihre Sanktionen gegen Russland zu verschärfen. Wenn der Krieg mit Russland weitergehe, dann bedeute das, dass mehr Sanktionen seitens der Partner der Ukraine notwendig seien. Die Europäische Union müsse mehr tun, forderte Selenskyj. Für die Angriffe der russischen Truppen auf die Fluchtkorridore aus belagerten ukrainischen Städten müsse Russland bestraft werden.
Mega-Konvoi setzt sich in Bewegung
Satellitenbildern des in den USA ansässigen Unternehmens Maxar Technologies zufolge soll ein großer russischer Militärkonvoi, der zuletzt nordwestlich von Kiew in der Nähe des Antonow-Flughafens gesehen wurde, weitgehend aufgelöst und verlagert worden sein. Laut dem Unternehmen zeigen die Bilder gepanzerte Einheiten, die in und durch die umliegenden Städte in der Nähe des Flughafens manövrieren. Teile des Konvois sollen weiter nördlich in der Nähe von Lubjanka neu positioniert worden sein.
Angriffe auf Kindergarten und Klinik
Von Russland unterstützte Rebellen haben der Nachrichtenagentur RIA Nowosti zufolge die ukrainische Stadt Wolnowacha im Norden der belagerten Hafenstadt Mariupol eingenommen. Die Agentur berief sich auf das russische Verteidigungsministerium. Wolnowacha hat als nördlichen Zugang zu Mariupol strategische Bedeutung. Zuvor meldete der ukrainische Rettungsdienst Angriffe auf zivile Ziele in der zentralukrainischen Stadt Dnipro.
Mindestens ein Mensch sei getötet worden. Die Angriffe hätten sich in der Nähe eines Kindergartens und eines Wohngebäudes ereignet. In der Früh "gab es drei Luftangriffe in der Stadt, die einen Kindergarten, ein Apartmenthaus und eine zweistöckige Schuhfabrik trafen", erklärten die Rettungskräfte. Die Stadt mit etwa einer Million Einwohnern war bisher von größeren russischen Angriffen verschont geblieben.
❗Around 06:10 in Novokodatsky, a district of #Dnipro, there were three #airstrikes on the city, namely a hit near a kindergarten and an apartment building, and a hit on a two-story shoe factory with subsequent combustion.
— NEXTA (@nexta_tv) March 11, 2022
Preliminarily one person was killed. pic.twitter.com/IBOvw05m0T
Russland griff Agenturberichten zufolge außerdem die Fliegerhorste in den ukrainischen Städten Lutsk und Iwano-Frankiwsk an und zerstörte sie. Die Agenturen beziehen sich auf Aussagen des Sprechers des russischen Verteidigungsministeriums Igor Konaschenkow. Ihm zufolge wurden seit Beginn des von Russland bezeichneten militärischen Sondereinsatzes 3.213 militärische Einrichten der Ukraine zerstört.
Mehrere Städte eingekesselt
Das russische Militär versucht nach Einschätzung des Pentagons ukrainische Städte zu umzingeln, darunter auch die Hauptstadt Kiew. "Charkiw und Tschernihiw, Mariupol - wir sehen diese Bemühungen, einzukreisen und zu umzingeln", sagte ein hoher US-Verteidigungsbeamter am Donnerstag. Man beobachte dies auch rund um die Hauptstadt Kiew. Die russischen Soldaten kämen von mehreren Seiten, so der Beamte. "Was wir also sehen, sind diese verschiedenen Vorstoßlinien in Richtung Kiew."
Kiew sei aber viel größer als die anderen Städte und werde stark verteidigt. Die russischen Streitkräfte seien in den vergangenen 24 Stunden weiter vorgerückt und hätten schätzungsweise fünf Kilometer gut machen können, hieß es weiter. Das sei aber im Verhältnis gar nicht so viel. "Wie gesagt, Kiew wird gut verteidigt, und die Ukrainer setzen eine Menge Energie ein (...), um ihre Hauptstadt zu schützen", so der Beamte. Zum jetzigen Zeitpunkt könne man keine Aussage dazu treffen, wie lange es dauere, bis die Russen möglicherweise richtig in Kiew eindringen. Stellenweise seien die russischen Soldaten um die 15 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt.
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