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Nach Beschuss von Atomkraftwerk

''Selbstmörderisch'': Sorge vor Nuklear-Katastrophe wächst

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Angesichts der weiter angespannten Lage im Atomkraftwerk Saporischschja im Osten der Ukraine wächst die Sorge vor einer Nuklearkatastrophe.  

 "Jeglicher Angriff auf ein nukleares Kraftwerk ist eine selbstmörderische Sache", sagte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres am Montag bei einem Besuch in Japan. Guterres forderte einen internationalen Zugang zu dem Gelände. Russland und die Ukraine machen sich gegenseitig für den Beschuss des größten AKWs Europas verantwortlich.

Die Regierung in Kiew forderte, das Gebiet um den Meiler zu einer entmilitarisierten Zone zu machen. Auch der Chef des staatlichen ukrainischen Nuklearkonzerns Energoatom, Petro Kotin, forderte Friedenstruppen in dem Kraftwerk zu stationieren. Russische Truppen haben das Kraftwerk seit Anfang März besetzt, es wird aber noch von ukrainischen Technikern betrieben. Kotin forderte im ukrainischen Fernsehen, dass die Weltgemeinschaft dafür sorgen müsse, die Besatzer zu vertreiben und eine entmilitarisierte Zone zu errichten, die von Friedenstruppen überwacht werde.

Inspektion durch UNO-Atom-Agentur gefordert

In Wien forderte der Ständige Vertreter der Ukraine bei den hier ansässigen internationalen Organisationen, Jewhenij Zymbaljuk, am Montag eine schnelle Inspektion des Atomkraftwerks Saporischschja durch die Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA) gefordert: spätestens bis Ende des Monats, aber "am liebsten schon morgen", so Zymbaljuk. "Die Situation sieht leider nicht gut aus." Eine Beschädigung des Kraftwerks hätte nicht nur für die Ukraine "gewaltige Konsequenzen", warnte er. Mehrere Sensoren zur Strahlenüberwachung am AKW seien durch die Schüsse zerstört worden, auch Stromleitungen hätten einen Schaden davongetragen. "Russland versucht, das ukrainische Stromnetz in der Region abzuschalten", so Zymbaljuk.

Die ukrainischen Mitarbeiter des Werks seien zwar Profis, doch mit den derzeitigen Arbeitsbedingungen unter den russischen Besatzern sei professionelle Arbeit dennoch schwer. Zymbaljuk sprach in diesem Zusammenhang von psychischem sowie physischem Druck. Die IAEA treffe bereits Vorbereitungen für eine Inspektion; man sei mit der UNO-Agentur in Gesprächen darüber. "Ohne starken internationalen Druck wird es schwer sein, Russland zu vertreiben", erklärte der Diplomat.

Nach russischen Angaben verlief der Betrieb des mehrfach beschossenen Atomkraftwerks am Montag normal. Militär und Vertreter der russischen Atomaufsicht seien vor Ort und beobachteten die Lage, zitierte die russische Nachrichtenagentur Interfax den von Russland eingesetzten Leiter der lokalen Provinzverwaltung.

Kiew und Moskau beschuldigen einander gegenseitig  

Russland wirft der Ukraine vor, das Atomkraftwerk am Sonntag beschossen zu haben. Dabei seien Starkstromleitungen beschädigt worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Deshalb habe die Produktion der Anlage gedrosselt werden müssen. Der Kreml forderte den Westen am Montag auf, die ukrainische Regierung dazu zu bewegen, den Beschuss zu beenden. Die Ukraine weist die Darstellung zurück, das AKW ins Visier zu nehmen. Vielmehr hatten die ukrainischen Behörden am Sonntag erklärt, bei russischem Beschuss des Kraftwerks am Samstagabend sei ein Arbeiter verletzt worden. Die Angaben aus dem Kriegsgebiet können unabhängig nicht überprüft werden.

Der Sprecher des russischen Präsidialamts, Dmitri Peskow, sagte, der Beschuss sei "extrem gefährlich". Der ukrainische Vertreter Kotin warnte davor, dass bei dem Beschuss von Behältern mit Atommüll Radioaktivität austreten könne. "Es wäre unmöglich, das Ausmaß einer solchen Katastrophe vorherzusagen." Auch der Chef der in Wien ansässigen Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA), Rafael Grossi, warnte vor dem Risiko einer atomaren Katastrophe.

Die von Russland in Saporischschja eingesetzten Verwaltungsbehörde unternahm unterdessen einem Medienbericht zufolge unterdessen weitere Schritte für eine Volksabstimmung über einen Anschluss an Russland. Der Verwaltungschef der Region habe ein Dekret für eine solches Referendum unterzeichnet, meldete die Nachrichtenagentur Ria Nowosti. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte Russland mit einem endgültigen Abbruch von Gesprächen gedroht, wenn die Regierung in Moskau eine Annexion weiterer ukrainischer Gebiete vorantreibe. Russland hatte bereits 2014 die Krim annektiert und sich dabei auf ein international nicht anerkanntes Referendum berufen.
 

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