oe24-Reporter Karl Wendl aus der Ukraine

"Ständig schlagen die Granaten ein"

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Reporter Karl Wendl berichtet seit Tagen direkt aus dem Kriegsgebiet.

Vor Kiew. Die Nacht ist ­extrem: Schneefall, Kälte und ständig das Grollen von einschlagenden Granaten, dann das schrille Klirren, wenn Metall auf Metall schlägt.

Wir sind etwa 30 Kilo­meter westlich von Kiew, die russischen Einheiten sind nur fünf Kilometer entfernt. Sie versuchen den Weg nach Westen abzuschneiden. ­Wolodimir Gabenes, Bürgermeister einer Kleinstadt und von zwölf umliegenden Ortschaften, lädt uns in sein Privathaus ein, hier können wir die Nacht in Sicherheit verbringen. Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der ­Ukrainer sind unglaublich: Sie teilen, helfen, sind aufopfernd bemüht. Die Frau des Bürgermeisters kocht auf. Herrlich. Sie sagt: „Vor wenigen Wochen konnten wir noch via Wien in den Urlaub fliegen, jetzt das.“

Haben nichts. Sie erzählen, dass vor wenigen ­Tagen eine russische Panzereinheit nur wenige ­Kilometer entfernt stoppte. Die jungen Soldaten haben nach Essen, nach Wasser gefragt. Sie hätten nichts, haben sie gemeint. Auch wollen sie nicht schießen.

Gegen die Luftüber­legenheit haben sie aber keine Chance. Die Raketenangriffe können sie nicht abwehren, doch die ukrainische Armee will mehrere Kampfflugzeuge der Gegenseite abgeschossen haben.

Alle haben Angst vor den nächsten Stunden

Grauen. Die meisten Einheiten der Russen sind „blind“: Sie haben kein GPS in ihren Panzern, ihre Handys mussten sie vor dem Einmarsch abgeben. Aus Sicherheitsgründen und damit sie das Grauen, das sie anrichten, nicht filmen und ins Netz stellen können. Alle haben Angst vor den nächsten Stunden und Tagen. Sie wissen, dass aus Weißrussland ein riesiger Konvoi mit Kriegsgerät in Richtung Kiew rollt. Niemand weiß, wie stark diese Einheiten wirklich sind. Angst. Die Menschen verbringen die Nächte in Kellern, die Häuser sind ab­gedunkelt. Gespenstisch. Nachtsichtgeräte hat niemand.

Die ukrainischen Verteidiger haben wiederum alle Straßen und Ortsschilder demontiert oder überklebt. Wer kein elektronisches Navigationssystem hat, findet keine Straße, kein Dorf.

Angreifen. Aber: Die Reservisteneinheiten wissen, dass die Panzereinheiten mehrmals täglich mit Diesel versorgt werden müssten. Mit Zehntausenden ­Litern. Sie versuchen diese Versorgungswege abzuschneiden: „Wir wollen, dass sie nicht mobil sind, dann können wir sie angreifen.“

Überleben. Bis vor wenigen Wochen war auch in der Ukraine Corona das dominierende Thema: „Jetzt der Krieg, wir müssen ­irgendwie das Überleben sichern“, sagt Anna (36): „Corona ist da, aber ­momentan kein Thema.“

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