Russland feiert am Montag, dem 9. Mai, den sowjetischen Sieg über Hitler-Deutschland im Zweiten Weltkrieg – die Angst vor einem Großangriff auf die Ukraine an diesem Tag wächst.
In der Ukraine wächst die Angst vor verstärkten russischen Luftangriffen vor dem bevorstehenden Moskauer Tag des Sieges. Präsident Wolodymyr Selenskyj rief zu Vorsicht und Disziplin auf. "Ich bitte alle unsere Bürger - und gerade in diesen Tagen -, den Luftalarm nicht zu ignorieren", sagte er am Freitag in seiner abendlichen Videoansprache. "Bitte, das ist Ihr Leben, das Leben Ihrer Kinder." In frontnahen Städten wie Odessa soll zwei Tage eine Ausgangssperre gelten.
Russland feiert am Montag, dem 9. Mai, den sowjetischen Sieg über Hitler-Deutschland im Zweiten Weltkrieg. Bei der traditionellen großen Militärparade in Moskau wird Präsident Wladimir Putin sprechen. Erwartet wird, dass er dabei die weitere Richtung für den zweieinhalb Monate alten Angriffskrieg gegen die Ukraine vorgibt.
Ausgangssperren
Die Ukrainerinnen und Ukrainer sollten am Wochenende strikt den Anordnungen der Behörden folgen und sich an örtliche Ausgangssperren halten, mahnte Selenskyj. Wegen der Minengefahr sei das Betreten von Wäldern verboten, die vom russischen Militär besetzt waren. Das ukrainische Innenministerium kündigte an, mit 5000 Mann zu patrouillieren, um mögliche Provokationen zu unterbinden.
Im südukrainischen Gebiet Odessa müssen die Menschen von Sonntagabend um 22.00 Uhr Ortszeit (21.00 Uhr MESZ) bis Dienstagmorgen um 5.00 Uhr Ortszeit (4.00 Uhr MESZ) zuhause bleiben. In der Hauptstadt Kiew werde es keine Ausgangssperre geben, sagte Bürgermeister Vitali Klitschko. Aber auch er riet den Menschen, zuhause zu bleiben. "In den kommenden Tagen besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit von Raketenbeschuss in allen Regionen der Ukraine", sagte er.
Kampf um Stahlwerk in Asowstal
In Mariupol wollten russische Truppen am Samstag letztmals eine Feuerpause einlegen, um Zivilisten den Abzug aus dem umkämpften Stahlwerk Asowstal zu ermöglichen. Die Ukraine sucht nach Worten Selenskyjs nach Wegen, um auch ihre Soldaten aus dem umkämpften Stahlwerk zu retten. "Einflussreiche Vermittler, einflussreiche Staaten" seien daran beteiligt, sagte Selenskyj am Freitagabend in einer Videoansprache. Details nannte er nicht. "Wir arbeiten auch an diplomatischen Optionen, um unser Militär zu retten, das immer noch auf Asowstal verbleibt."
Der letzte Verteidigungsposten der Ukrainer in Mariupol liegt ständig unter russischem Feuer. Ziel der russischen Truppen ist angeblich, das mit Bunkern und Tunneln stark befestigte Fabrikgelände bis zum 9. Mai zu erobern. Bei den bisherigen Evakuierungen durften nur Zivilisten, meist Frauen, Kinder oder ältere Menschen, das Werk in Richtung ukrainisch kontrolliertes Gebiet verlassen. Am Freitag waren es 50 Personen, wie Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk mitteilte. Soldaten und viele Verwundete sitzen dagegen in dem letzten Verteidigungsposten der Ukrainer in Mariupol fest. Russische Truppen beschießen seit Tagen das mit Bunkern und Tunneln stark befestigte Fabrikgelände. Ihr Ziel ist angeblich, Asowstal bis zum 9. Mai, dem Erinnerungstag an den sowjetischen Sieg im Zweiten Weltkrieg, zu erobern.
Es werde keine Gespräche mehr mit Russland geben, wenn die Zivilisten und Soldaten in Asowstal getötet würden, so Selenskyj.
Angst vor Atom-Krieg
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte Russland vor dem Einsatz von Atomwaffen im Ukraine-Krieg. "Unsere Botschaft ist eindeutig: Nach einem Einsatz von Nuklearwaffen würde es auf allen Seiten nur Verlierer geben", sagte Stoltenberg der "Welt am Sonntag". "Einen Atomkrieg kann man nicht gewinnen, und er sollte nie geführt werden, das gilt auch für Russland."
Die Allianz hat laut Stoltenberg aber keine Hinweise darauf, dass speziell die russischen Nuklearwaffen seit Beginn des Krieges am 24. Februar in einer höheren Bereitschaftsstufe seien. Moskau hat allgemein seine Abschreckungswaffen in Alarmbereitschaft versetzt, was als Drohung auch mit dem atomaren Arsenal verstanden wird.
Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, schloss unterdessen eine Zusammenarbeit mit Kremlchef Putin nach Kriegende aus. "Russlands Präsident hat sich von der zivilisierten Welt verabschiedet", sagte Heusgen den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag). Putin gehöre für die von Russland begangenen Kriegsverbrechen vor ein internationales Gericht.