Atomkraftwerk erneut unter Beschuss

UNO-Generalsekretär warnt vor "Desaster" um AKW Saporischschja

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UNO-Generalsekretär António Guterres hat kurz vor einer Sitzung des Sicherheitsrats zur Lage rund um das ukrainische AKW Saporischschja vor einer möglichen nuklearen Katastrophe gewarnt. Nach Angaben der russischen Besatzer ist das Atomkraftwerk erneut unter Beschuss geraten.

Sollten die "zutiefst beunruhigenden Vorfälle" rund um das Atomkraftwerk andauern, könnten sie "ein Desaster auslösen", so Guterres am Donnerstag. Aus der Gegend um Saporischschja wird seit Tagen heftiger Beschuss gemeldet. Moskau und Kiew machen sich gegenseitig dafür verantwortlich.

Jeder Schaden in Saporischschja oder an einer anderen Atomanlage in der Ukraine könnte "katastrophale Folgen nicht nur für die Umgebung, sondern für die Region und darüber hinaus haben", erklärte Guterres. "Bedauerlicherweise" habe es bisher keine Deeskalation gegeben. Er habe alle Seiten gebeten, "Vernunft und gesunden Menschenverstand zu beweisen und nichts zu tun, das die Unversehrtheit und die Sicherheit des größten Atomkraftwerks Europas gefährden könnte".

Guterres rief dazu auf, "umgehend" sämtliche militärische Aktivität rund um das Kraftwerk einzustellen und "nicht auf es zu zielen". Rund um das AKW Saporischschja sei eine "entmilitarisierte Zone" nötig, um die Sicherheit der Umgebung zu gewährleisten.

Krisensitzung wegen prekärer Lage

Das Atomkraftwerk in Saporischschja ist das größte in Europa. Russische Truppen brachten es im März kurz nach Beginn ihres Angriffskriegs gegen die Ukraine unter ihre Kontrolle. Nach den Angriffen vom Wochenende musste ein Reaktor heruntergefahren werden.

Angesichts der Lage vor Ort trifft sich der UNO-Sicherheitsrat am Donnerstag, 15.00 Uhr Ortszeit (21.00 Uhr MESZ) zu einer Krisensitzung. Die Sitzung findet auf Antrag Russlands statt, wie am Mittwoch aus diplomatischen Kreisen verlautet war.

Bei der Dringlichkeitssitzung wird der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, Rafael Grossi, die 15 Mitgliedstaaten über die Lage an dem Atomkraftwerk informieren und sich dabei zu Fragen der atomaren Sicherheit äußern. Er will nach Angaben der IAEA auch auf Bemühungen eingehen, "so bald wie möglich" eine Expertenmission zu dem Atomkraftwerk zu schicken.

Forderungen nach entmilitarisierter Zone

Die USA unterstützen unterdessen Forderungen nach einer entmilitarisierten Zone rund um das Atomkraftwerk. In der Nähe des AKW kommt es immer wieder zu Kämpfen zwischen russischen und ukrainischen Streitkräften. Das Gelände des AKW wurde bereits mehrfach getroffen, wofür beide Seiten einander verantwortlich machen. "Kämpfe in der Nähe eines Kernkraftwerks sind gefährlich und unverantwortlich", sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums. "Wir fordern Russland weiterhin auf, alle Militäreinsätze in oder in der Nähe ukrainischer Kernkraftwerke einzustellen und die volle Kontrolle an die Ukraine zurückzugeben. Und wir unterstützen die ukrainischen Forderungen nach einer entmilitarisierten Zone um das Kernkraftwerk herum."

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte angesichts des Beschusses vor einer möglichen Atomkatastrophe gewarnt. Der ukrainische Kraftwerksbetreiber Enerhoatom informierte bei Telegram über insgesamt zehn Einschläge in der Nähe des größten europäischen Atomkraftwerks im Süden der Ukraine. "Die Situation im Kraftwerk ist gerade unter Kontrolle", teilte der Konzern mit. Nach diesen Angaben gab es keinen Brand und auch keine erhöhten Radioaktivitätswerte.

Gegenseitige Vorwürfe

Die Ukraine wirft den russischen Truppen vor, das AKW als Festung für Angriffe zu nutzen. Die prorussischen Separatisten wiederum beschuldigen die ukrainischen Streitkräfte, mit Beschuss den Westen zum Eingreifen in den Konflikt bewegen zu wollen. Russlands Staatsfernsehen zeigte Bilder, die Raketeneinschläge am Kraftwerk zeigen sollen.

Wladimir Rogow, Vertreter der Besatzungsbehörden, lehnte Forderungen der G7-Gruppe ab, das Kraftwerk wieder unter ukrainische Kontrolle zu geben. "Das wäre, als wenn man einem Affen eine Handgranate in die Hand gibt", sagte Rogow der russischen Staatsagentur TASS.

Im ukrainischen Kernkraftwerk Tschernobyl hatte sich 1986 der schlimmste atomare Unfall auf europäischem Boden ereignet. International gibt es Befürchtungen, dass sich in Saporischschja durch Raketenangriffe etwas Ähnliches wiederholen könnte. Russland Krieg gegen das Nachbarland dauert inzwischen schon mehr als fünfeinhalb Monate.

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