Im Interview

Portisch: "Trump ist eine Gefahr für Europa"

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Die Journalisten-Legende erklärzt im Interview, dass Europa Gefahr laufe, zwischen USA und Russland zerrieben zu werden.

ÖSTERREICH: War der Sieg Donald Trumps für Sie eine Überraschung?

HUGO PORTISCH: Ich habe nicht ausgeschlossen, dass Trump das Rennen macht. Denn diese Tendenz gibt es ja überall: Politiker, die sich gegen alles stellen, alles in Frage stellen, pöbeln, lügen, reinen Populismus verbreiten, operieren erfolgreich – und das war nicht nur im amerikanischen Wahlkampf zu erleben, das erleben wir auf der ganzen Welt.

ÖSTERREICH: Europas Populisten wie Orbán oder Le Pen haben Trump ja auch gleich gratuliert …

PORTISCH: Alle haben ihm gleich gratuliert und ihn ermuntert. Und das ist für Europa ein Weckruf!

ÖSTERREICH: In wie fern?

PORTISCH: Für Europas Demokraten - für ganz Europa ist der Populismus ein Problem.

ÖSTERREICH: Wie schätzen Sie den neuen Präsidenten Donald Trump politisch ein?

PORTISCH: Man weiß ja noch nicht viel über ihn. Man weiß nicht, wie er sich gegenüber Putin verhalten wird. Auch bezüglich der Nato stellt er alles in Frage. Er fordert das bestehende System heraus – immerhin war Putin ja auch einer der ersten Gratulanten. Und da muss Europa jetzt schauen, wo es bleibt.

ÖSTERREICH: Ist Europa in Gefahr?

PORTISCH: Wenn Europa ohne Gewicht bleibt - keine abgestimmte Außen- und Sicherheistpolitik hat, kein militärpolitisches Gewicht hat -, kann es sich nicht auf die Waage bringen. Dann läuft Europa Gefahr, dass es zwischen den USA und Russland zerrieben wird! Europa muss jetzt zu sich selber finden. Trumps Sieg ist ein Appell an Europa, einig zu werden. Und Fragen zu lösen hinsichtlich einer gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik. Europa muss wieder Gewicht bekommen, es muss mitspielen können.

ÖSTERREICH: Wie haben Sie die Antrittserklärung des neuen Präsidenten gefunden? Sie war ja alles andere als pöbelnd …

PORTISCH: Ich habe mir schon gedacht, dass er nach der Wahl staatsmännischer agieren wird und nicht so ein unberechenbarer Polterer bleiben wird wie zu Zeiten des Wahlkampfes. Das wäre jedenfalls zu begrüßen. Aber natürlich hängt jetzt alles davon ab: Wer wird sein Sicherheitsberater? Wer wird sein Außen-, wer sein Verteidigungminister? Man kennt niemanden in seiner Umgebung, der für etwas steht. Es wäre wichtig zu wissen, wen er sich da an Bord holt. Auf wen er hören wird. Denn er selbst hat ja offenkundig keine gefestigte politische Meinung. Dazu agierte er bis jetzt zu populistisch: Er versprach, Jobs zurückzuholen – sprich: Er stellte Handelsbeziehungen mit anderen Ländern in Frage. Er kündigte an, sich mit Putin zusammenzusetzen, aber er präzisierte dahingehend nichts. Trump ist ein unbeschriebenes Blatt.

ÖSTERREICH: Welche Ursachen würden Sie für den Sieg Donald Trumps ins Treffen führen?

PORTISCH: Punkt 1: Hillary Clinton war eine schwache Gegenkandidatin. Sie ist nicht sehr populär, hat wenig Charisma. Und Punkt 2: Trump ist ein Polterer und Alles-Versprecher, ein In-Frage-Steller, und er agierte nach seiner populistischen Masche. Klar ist auch: Er hatte grenzenlos Geld zur Verfügung, nicht nur sein eigenes, sondern auch das der Lobbyisten. Denn er bedient ja viele Lobbys – wie etwa die Waffenlobby.  Laut Entscheidung des Obersten Gerichtshofes kann ja jede Firma in den USA spenden, wie und was sie will, ohne Meldung erstatten zu müssen, ohne Limit. Und das bedingt ein System der Korruption: In Amerika kann man sich Politiker kaufen. Politik ist käuflich geworden.

ÖSTERREICH: Dagegen kam Hillary Clinton nicht an …

PORTISCH: Ihr hat das Charisma gefehlt, und sie verfügte bei Weitem nicht über so viel Geld wie ihr politischer Gegner. Zudem ist es schwer, gegen einen Populisten anzukämpfen, wenn man kein sehr durchschlagskräftiges Programm hat.

ÖSTERREICH: Trump konnte die Stimmen jener Wutbürger einkassieren, die gegen „das System“ wettern …

PORTISCH: Das „System“ als solches wird heute überall auf der Welt in Frage gestellt. Die Menschen sind überfordert durch die Globalisiserung, die Digitalisierung, die sozialen Netzwerke. Sie sind zutiefst verunsichert.

ÖSTERREICH: Tatsache ist aber wohl auch, dass die soziale und ökonomische Verelendung vieler Amerikaner – etwa im „Rostgürtel“ der USA – ja nach Veränderung geradezu schreit.

PORTISCH: Eines der Hauptprobleme ist die Vernachlässigung des Mittelstandes. Und das nicht nur in Amerika – diese Gefahr besteht auch in Europa. Und es ist enttäuschend, dass Barack Obama in dieser Hinsicht nicht viel unternommen hat. Er hat einen echten Durchbruch in der Sozialpolitik nicht geschafft. Deshalb hatte Bernie Sanders sofort durchschlagenden Erfolg - auch bei Jugend. Man bedenke: der Sozialist Sanders! „Sozialist“ war früher ein Schimpfwort in den USA. Roosevelt wurde von  seinen Gegnern als Sozialist – ist gleich Kommunist – beschimpft. Die Herstellung sozialer Gerechtigkeit spielt heute eine enorm wichtige Rolle.

C. Hirschmann

 

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