Loveparade-Tragödie

Video: Im Tunnel kurz vor der Tragödie

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Ein Video zeigt, wie todgefährlich die Situation im Tunnel war. Unterdessen hagelt es Kritik am Sicherheitskonzept der Veranstalter. Auch Duisburgs Bürgermeister Sauerland gerät zunehmend unter Druck. Das Gelände war nur für 250.000 Menschen zugelassen. 1,4 Millionen kamen.

Nach der Tragödie auf der Duisburger Loveparade mit 20 Toten geraten die Veranstalter unter dem Vorwurf massiver Sicherheitslücken zunehmend in Bedrängnis. Ein internes Verwaltungsdokument aus Duisburg belegt nach Informationen von "Spiegel online" die Schwachstellen des Sicherheitskonzepts bei der Großveranstaltung mit insgesamt bis zu 1,4 Millionen Besuchern. So habe der Veranstalter nicht die sonst vorgeschriebene Breite der Fluchtwege einhalten müssen. Zugleich sei das Gelände ausdrücklich nur für 250.000 Menschen zugelassen gewesen. Bei der Massenpanik am Tunnel vor der Freifläche waren am Samstag 20 Raver gestorben.

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, hält es für wahrscheinlich, dass die Veranstalter und die Stadt Duisburg auf Kosten der Sicherheit bei der Loveparade sparten. "Darauf gibt es Hinweise. Dafür spricht zum Beispiel, dass es keine Videoüberwachung vor Ort gegeben hat, die eine schnelle Reaktion möglich gemacht hätte", sagte Wendt den ARD-"Tagesthemen". Der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" sagte der gebürtige Duisburger, dass sich die Stadt mit der Loveparade übernommen habe. "So was kann man in Berlin machen, wo es breite Straßen und große Plätze gibt, aber nicht bei der engen Bebauung in Duisburg", so Wendt.

Die Staatsanwaltschaft Ermittlungen fort
Zeugenaussagen und beschlagnahmte Unterlagen sollen klären, ob das Sicherheitskonzept letztlich ausreichend war. "Spiegel online" berichtete, dass eine Dienststelle der Bundespolizei nach der Katastrophe alle Unterlagen gelöscht habe, was von dieser zurückgewiesen wurde. Bereits vor der Technoparty hatte es konkrete Warnungen vor einer Katastrophe gegeben, die manchem angesichts des engen Tunnels und der erwarteten Menschenmassen unausweichlich schien. Augenzeugen kritisierten auch die angebliche Untätigkeit der schon vor der Massenpanik vom Gedränge informierten Polizei.

Das von "Spiegel online" zitierte Schriftstück vom 21. Juli 2010 mit dem Aktenzeichen 62-34-WL-2010-0026 trägt den Titel "Genehmigung einer vorübergehenden Nutzungsänderung". Es richtet sich an die Berliner Lopavent GmbH als Veranstalter der Loveparade. Der Sachbearbeiter der Unteren Bauaufsicht im Duisburger Amt für Baurecht und Bauberatung befreit darin die Organisatoren von der Vorschrift, die vorgeschriebenen Breiten der Fluchtwege einhalten zu müssen. Außerdem verzichten die Beamten auf Feuerwehrpläne.

Die Toten waren zwischen 18 und 38 Jahre alt, elf Frauen und acht Männer. 510 Personen erlitten zum Teil schwerste Verletzungen. Österreicher waren nach Informationen des Wiener Außenamts weder unter den Toten noch unter den Schwerverletzten. Am Tag nach der Katastrophe legten Trauernde am Tunnel zum ehemaligen Güterbahnhof Blumen nieder und zündeten Grabkerzen an. Am Ort der Tragödie fragten sich viele, wer die Schuld trägt.

Bürgermeister unter Druck
Im Mittelpunkt der Kritik steht die Duisburger Stadtführung um Bürgermeister Adolf Sauerland (CDU). Bochums früherer Polizeipräsident Thomas Wenner (62) will Sauerland anzeigen. Der Onlineausgabe der "Bild-Zeitung" sagte Wenner: "Ich zeige den Oberbürgermeister der Stadt Duisburg, die leitenden Beamten der Stadt und die Veranstalter an." Eine solche Veranstaltung sei in Duisburg nie realisierbar gewesen. Wenner hatte 2009 als amtierender Polizeipräsident die für Bochum geplante Loveparade abgesagt.

1,4 Millionen Raver
Die Zahl der Teilnehmer konnten die Duisburger Veranstalter auch am Tag danach nicht genau beziffern. Sie reicht von 105.000 Menschen, die mit der Bahn zum Feiern reisten, bis hin zu 1,4 Millionen Ravern, die sich in der Stadt aufgehalten haben sollen. Die abgeschlossene Partyzone sei für rund 300.000 Feiernde ausgelegt gewesen, sagte der Leiter des Krisenstabs, Wolfgang Rabe. Der Platz sei zum Zeitpunkt des Unglücks nicht vollständig gefüllt gewesen.

Nur ein Ein- und Ausgang
Der Ablauf der Tragödie zeichnet sich erst in groben Zügen ab: Es gab lange Zeit nur einen Ein- und Ausgang zum Festgelände, und der war nur durch zwei Tunnel unter Bahngleisen zu erreichen. Von den Tunneln ging es um eine Ecke auf eine breite Straßenrampe zum alten Güterbahnhof. Im Gedränge dieses Nadelöhrs stauten sich die Menschen. Raver, die ungeduldig zur Party strebten, trafen auf Menschen, die schon müde waren und das Fest verlassen wollten. Viele kletterten auf Container oder Zäune, um der Enge zu entfliehen, einige stürzten nach Augenzeugenberichten hinunter in die Massen.

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