Die Wahlen in der Türkei forderten mehrere Todesopfer – zwei Wahlbeobachter tot.
Türkei unter Schock. Bei der heutigen landesweiten Kommunalwahl sind vier Menschen ums Leben gekommen. Das bestätigte der türkische Innenminister Süleyman Soylu. Um 16 Uhr (MESZ) schlossen die Wahllokale.
Im ostanatolischen Malatya sind zwei Menschen erschossen worden. Die Nachrichtenagentur DHA meldete, zwei Gruppen seien am Sonntag in einem Wahllokal im Bezirk Pötürge aneinandergeraten. Einer habe daraufhin eine Pistole gezogen und zwei Menschen getötet. Der Schütze sei festgenommen worden – oe24 berichtete. Die türkischen Medien berichten inzwischen von zwei weiteren Todesfällen. Mehr Informationen gibt es bisher aber noch nicht.
Der Täter soll ein Neffe des lokalen AKP-Kandidaten gewesen sein – der Partei von Präsident Erdogan.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (65) bestätigte nach seiner Stimmabgabe in Istanbul die Todesfälle. Er erklärte: "Das, was passiert ist, hat mich als Präsident wirklich traurig gemacht. Unser Justizminister und Innenminister ermitteln in der Sache."
Wahlbeobachter
Der Chef der kleinen Oppositionspartei Saadet, Temel Karamollaoglu, schrieb auf Twitter, die Opfer seien zwei Wahlbeobachter seiner Partei. Die beiden hätten gegen eine offene Stimmabgabe protestiert und seien daraufhin getötet worden.
14 Verletzte bei Gewalt in kurdischer Provinz
Aus der östlichen, mehrheitlich kurdischen Provinz Diyarbakir wurden 14 Verletzte gemeldet, als ein Streit in Gewalt umschlug. Laut der Nachrichtenagentur DHA wurden zwei Menschen schwer verletzt, als die Anhänger zweier Kandidaten für einen Bezirksvorsteherposten in der Kleinstadt Kocaköy mit Gewehren, Stöcken und Messern aufeinander losgingen. In einer anderen Ortschaft der Provinz gab es demnach neun weitere Verletzte bei einem Streit.
15 Verletzte in Istanbul
In Istanbul wurde nach Polizeiangaben eine Person im Bezirk Kadikoy bei einer Schlägerei mit 15 Beteiligten niedergestochen, als Kandidaten in Streit gerieten. Im ganzen Land sind rund 553.000 Polizisten und Sicherheitsleute im Einsatz, um die Stimmabgaben zu sichern.
Europäische Beobachter mussten ins Polizeipräsidium
Behinderungen der europäischen Beobachterdelegation gab es am Mittag in Südostanatolien. In Diyarbakir wurden die italienischen Wahlbeobachterinnen Sonia Helene Rosset und Noemi Colombo festgenommen. Sie befinden sich derzeit im Polizeipräsidium.
In #Diyarbakir wird eine europäische Beobachterdelegation von Polizisten massiv behindert. Sonia Rosset und Noemi Colombo (aus Italien) wurden festgenommen.#Türkei#Kommunalwahlen #31M19 https://t.co/o9KD7uzeLR
— Metin Gülmen (@GuelmenM) 31. März 2019
Schicksalswahl für Erdogan
Erdogan hat die Kommunalwahlen zur Frage des Überlebens für sein Land hochstilisiert. Seine islamisch-konservative AK-Partei steuert in der Hauptstadt Ankara und möglicherweise auch in der Millionen-Metropole Istanbul auf eine Niederlage zu. Beide Städte werden seit mehr als 20 Jahren von islamisch-konservativen Bürgermeistern regiert. Eine Niederlage dort wäre ein Gesichtsverlust für Erdogan, der selbst einst Bürgermeister von Istanbul war.
Einige Wähler dürften auf die Wirtschaftskrise in der Türkei reagieren, die auf den Verfall der Landeswährung Lira vom vergangenen Jahr folgt. Erdogan macht dagegen Angriffe aus dem Westen für die wirtschaftlichen Turbulenzen verantwortlich. Bei einer Wahlkampfkundgebung vor wenigen Tagen sagte er, Ziel der zunehmenden Attacken sei es, der großen und starken Türkei Steine in den Weg zu legen.
Wichtig ist die Kommunalwahl auch für die pro-kurdische Oppositionspartei HDP, die in vielen Gemeinden des Südostens stärkste Partei ist. Allerdings wurden nach dem Putschversuch vom Juli 2016 gegen Erdogan zahlreiche Bürgermeister der HDP beziehungsweise ihres regionalen Ablegers DBP wegen angeblicher Verbindungen zur verbotenen Untergrundorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) abgesetzt. 95 von 106 HDP-Gemeinden wurden unter Zwangsverwaltung gestellt. Die HDP hofft nun, diese Gemeinden unter zurückzugewinnen.
Bei Wahlen in der Türkei kommt es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern verschiedener Kandidaten. Während dieses Mal der Wahlkampf relativ friedlich verlief, wurden vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im vergangenen Juni dutzende Angriffe gezählt. Bei einem Streit in der Stadt Suruc gab es damals vier Tote, und am Wahltag selbst wurde ein Lokalpolitiker erschossen.