Der 74-Jährige wurde in der Nähe von Stuttgart von einem Zug erfasst. Weil es einen Abschiedsbrief gibt, gehen die Ermittler von Selbstmord aus.
Er war einer der reichsten Männer Deutschlands - bis er sich an der Börse verzockte und sein Imperium mit 100.000 Mitarbeitern an den Rand des Zusammenbruchs führte. Am gestrigen Montag hat sich der Ulmer Milliardär Adolf Merckle unweit seines Wohnorts Blaubeuren südwestlich von Ulm von einem Zug überfahren lassen. Bekannt wurde die Tragödie heute Nachmittag. Der 74-Jährige hinterließ einen Abschiedsbrief. Die Finanzkrise und die daraus folgende wirtschaftliche Notlage seiner Unternehmen hätten Adolf Merckle gebrochen, hieß es am Dienstag in einer kurzen Erklärung seiner Familie. "Er hat sein Leben beendet."
Kämpfertyp
Merckle war ein Kämpfertyp. "Mir ist fremd, etwas
aufzugeben", lautete sein Lebensmotto. Wenn die Wirtschaft um ihn herum in
der Krise steckte, nutzte Merckle die Gunst der Stunde und baute sein
Imperium durch günstige Zukäufe weiter aus. 30 Milliarden Euro Umsatz macht
seine Gruppe, zu der unter anderem der Pharmaproduzent ratiopharm,
Deutschlands größter Baustoffhersteller HeidelbergCement und der
Pharmagroßhändler Phoenix gehören.
In der Öffentlichkeit gab sich der verschwiegene Clan-Chef eher bescheiden. Er machte nicht gern viel Aufhebens um seine Person - geschweige denn um sein Privatvermögen. Die Bewohner seiner Heimatgemeinde Blaubeuren sahen den Selfmade-Milliardär hin und wieder auf dem Fahrrad statt in einer Luxuslimousine durch den Ort fahren.
Graue Eminenz im Hintergrund
Doch im Hintergrund hielt Merckle
alle Fäden in der Hand, setzte Vertrauensleute an entscheidende Stellen,
kontrollierte alles genau - und setzte sich immer durch. Dem Juristen wurde
stets ein gutes Näschen für Geschäfte nachgesagt. Laut "Forbes" war Merckle
mit einem geschätzten Vermögen von 9,2 Mrd. Dollar der fünftreichste Mann
Deutschlands.
Bei VW-Aktien verzockt
Doch dann verzockte sich der gewiefte
Taktiker: Mit VW-Aktien verlor er bis zu einer Milliarde Euro. Fast
zeitgleich vermieste die Finanz- und Börsenkrise Merckle die Geschäfte. Die
Banken forderten zusätzliche Sicherheiten für hohe Kredite - und Merckle
steckte plötzlich in finanziellen Schwierigkeiten. Nach früheren
Informationen aus Finanzkreisen beläuft sich der Finanzierungsbedarf auf 700
Millionen bis 1 Milliarde Euro. Weitere Quellen sprechen davon, dass auf
Merckles Holding VEM mindestens Schulden in Höhe von drei bis fünf
Milliarden Euro lasten.
Eigentlich war Merckle jedoch nach einem monatelangen Ringen mit den Gläubigerbanken auf der Zielgerade angelangt. Alle beteiligten gut 30 Banken unterzeichneten kurz vor dem Jahreswechsel eine Kreditstundung für die nächsten Monate. Merckle sollte dadurch mehr Zeit bekommen um, um sein Imperium zu sanieren.
Aber der Preis wäre hoch gewesen: Merckle sollte sich von den Filetstücken seines Imperiums trennen, so die Forderung der Banken. Seinen Ulmer Generikahersteller ratiopharm hätte Merckle auf lange Sicht verkaufen müssen. Auch sollte er seine Anteile an HeidelbergCement verlieren. Sein Lebenswerk hätte tiefe Kerben davongetragen. Der Druck der zähen Verhandlungen und die Aussicht, diesmal nicht als strahlender Sieger aus einem Streit hervorzugehen, haben ihn gebrochen, berichtete seine Familie. Adolf Merckle hatte mit seiner Frau drei Söhne und eine Tochter.