Gefängnis-Ausbruch

Geflohene Mörder nahmen Geisel

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Die beiden Schwerverbrecher sind bewaffnet nach Köln geflohen.

Bei der Fahndung nach den zwei aus der Justizvollzugsanstalt Aachen entflohenen Schwerverbrechern hat die Polizei weiter keine Spur. "Die letzte Spur hat sich gestern Abend in Köln verloren, seitdem haben keine Anhaltspunkte mehr", sagte Polizeisprecher Michael Huber am Freitag in Köln.

Einzelheiten zur Fahndung wie den Einsatz von Hubschraubern und einer Spezialeinheit wollte die Polizei nicht bestätigen. Entgegen anderslautenden Berichten sei auch die Kölner Innenstadt nicht abgeriegelt worden. "Wir tun das Menschenmögliche, um sie dingfest zu machen", sagte eine Polizeisprecherin in der Früh. Auch die Behörden im benachbarten Ausland seien informiert.

Die Tat erinnert an das Geiseldrama von Gladbeck im Jahr 1988.

JVA-Angestellter verhaftet
Offenbar hat den gefährlichen Mördern ein Gefängniswärter geholfen. Laut der nordrhein-westfälischen Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter wurde noch am Freitag ein Bediensteter der Justizvollzugsanstalt verhaftet. Er stehe unter Verdacht, den beiden gewalttätigen Gefängnisinsassen zur Flucht verholfen zu haben, so Müller-Piepenkötter.

Taxi
Die Schwerverbrecher waren am Vorabend aus der Aachener Justizvollzugsanstalt geflohen und hatten zwischenzeitlich einen Taxifahrer als Geisel genommen.

Die Polizei warnte die Bevölkerung vor den beiden Männern, die wahrscheinlich im Besitz von zwei Schusswaffen seien. Beide verbüßten wegen schwerwiegendster Straftaten eine lebenslange Haftstrafe und hätten sich in der Vergangenheit als brutal und rücksichtslos gezeigt.

Zahlreiche Hinweise liefen bei der Polizei ein. So sollen die Flüchtigen vor einem Baumarkt in Dierdorf gesichtet worden sein. Die Beamten bezeichneten den Hinweis als "sehr konkret".

Geisel genommen
Auf dem Weg von Köln nach Essen nahmen die beiden Ausbrecher eine Frau als Geisel. Am Ziel ließen sie ihr Opfer frei. "Die Frau sitzt hier bei uns im Präsidium und ist unverletzt", sagte ein Polizeisprecher in Essen und bestätigte damit einen Bericht der "Bild"-Zeitung. Nach den beiden Schwerverbrechern werde nun in den südlichen Essener Stadtteilen Kettwig und Werden gefahndet.

Wie der Polizeisprecher sagte, hatten die beiden Männer die Frau in Köln angesprochen und sie gezwungen, mit ihnen nach Essen zu fahren. "Dort sind sie wegen Spritmangels stehen geblieben." Die Täter flüchteten zu Fuß und ließen die Frau in ihrem Auto sitzen.

Nach "Bild"-Informationen zogen sie sich in dem Wagen um und rasierten sich. Man könne noch nicht mit letzter Sicherheit sagen, dass es sich bei den beiden Tätern um die Ausbrecher Michael Heckhoff und Peter Paul Michalski handle. Die beiden Männer waren am Donnerstagabend vermutlich mit Hilfe eines Wärters aus dem Aachener Gefängnis geflohen.

Mord, versuchter Mord, Geiselnahme
Nach WDR-Informationen waren die Verbrecher unter anderem wegen Mordes, versuchten Mordes und Geiselnahme in Sicherungsverwahrung inhaftiert.

So brutal sind die Ausbrecher

Michael Heckhoff:
Heckhoff ist vor allem wegen einer Geiselnahme 1992 in der Justizvollzugsanstalt im sauerländischen Werl zu zweifelhafter Bekanntheit gelangt. Für die Tat erhielt er Ende 1993 lebenslang. Mit einem Komplizen hatte er einen Zahnarzttermin zu einem brutalen Kidnapping genutzt. Mit einer Pistole - einer täuschend echt wirkenden Attrappe aus Seife - nahm das Duo drei JVA-Bedienstete und drei Arzthelferinnen als Geiseln. Die Männer forderten eine Million Mark Lösegeld, ein Fluchtauto und freies Geleit. Als der damals 34-jährige Heckhoff den Fluchtwagen inspizieren wollte, traf ihn ein Schuss und verletzte ihn schwer.

Ein SEK-Kommando stürmte später den Lazarett-Trakt in Werl, wo sich sein Komplize - verurteilt wegen Dreifach-Mordes - verschanzt hatte. Der übergoss vor dem Zugriff einen JVA-Beamten und eine Arzthelferin mit Waschbenzin, zündete sie an und fügte ihnen schwerste Verbrennungen zu. Beim Prozess wegen zweifachen versuchten Mordes in Arnsberg musste Heckhoff im Gerichtssaal Fußfesseln tragen.

Schon vor der Werler Geiselnahme hatte Heckhoff schwere Verbrechen verübt: Wegen Geiselnahme einer Polizistin und zweier Banküberfälle war er Anfang der 90er Jahre zu 15 Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. In seiner Einzelzelle in der JVA Bochum wurden 1995 eine Gaspistole und eine Handgranaten-Attrappe gefunden. Danach wurde er in eine speziell überwachte Zelle in Wuppertal gebracht. Später landete er in der JVA Aachen, aus der er am Donnerstag mit Michalski ausbrach.

Peter Paul Michalski:

Auch Michalski - auf dem Fahndungsfoto mit Halbglatze und gestutztem Vollbart - ist ein besonders gewalttätiger Mehrfachtäter. Er verbüßte laut NRW-Justizministerium bereits als Heranwachsender eine Jugendstrafe. 1985 wurde er entlassen, drei Jahre später aber schon wieder festgenommen. 1988 verurteilten ihn die Richter zu sieben Jahren und sechs Monaten Haft, unter anderem wegen schweren Raubes.

1993 erschoss Michalski im Hafturlaub einen Mittäter - und erhielt dafür eine lebenslange Haftstrafe. Das Bielefelder Landgericht stellte im März 1995 die besondere Schwere der Schuld fest. Damit war eine Überprüfung der Haftstrafe nach 15 Jahren für den gebürtigen Herforder blockiert. Anfang 2006 war er von der JVA Wuppertal nach Aachen verlegt worden, dort gelang ihm der Ausbruch.

Wächter überwältigt
Die beiden 50 und 46 Jahre alten Männer überwältigten nach Angaben der Polizei gegen 20.20 Uhr am Donnerstagabend einen Wächter und den Portier der Aachener Justizvollzugsanstalt und flüchteten zunächst zu Fuß. Dann fuhren sie mit einem Taxi nach Kerpen-Buir. Zusammen mit dem Taxifahrer ließen sie sich von einem weiteren Taxi nach Köln fahren, wie ein Kölner Polizeisprecher erklärte. In der Domstadt ließen sie in der Nähe des Hauptbahnhofs den Taxifahrer frei und flohen in Richtung Innenstadt, wo sich ihre Spur verlor.

Nach Informationen des WDR war einer der Entflohenen 1992 an einer Geiselnahme in der sauerländischen Justizvollzugsanstalt Werl beteiligt. Damals habe er mit einem Mithäftling einen Zahnarzttermin genutzt, um drei Justizbeamte und drei Arzthelferinnen in seine Gewalt zu bringen. Beim Zugriff der Polizei habe sein Komplize zwei der Geiseln mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen und angezündet. Beide seien dabei schwer verletzt worden.

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