Im Kampf gegen die 'Ndrangheta überlegt die italienische Regierung die Armee nach Kalabrien zu entsenden.
Nach dem Sechsfach-Mord in Duisburg wird in Rom lebhaft darüber diskutiert, ob im Kampf gegen die Mafia-Organisation 'Ndrangheta das Heer in die italienische Region Kalabrien entsendet werden soll. Der Chef der Bürgerbewegung "Diritti Civili" (Zivile Rechte), Franco Corbelli, drängte, dass Soldaten für die öffentliche Sicherheit in der Locride, der Provinz um San Luca, Hochburg der 'Ndrangheta, sorgen sollen. In Kalabrien herrsche eine Notstandslage. In wenigen Monaten seien in der Region 30 Morde verübt worden, die auf die 'Ndrangheta zurückzuführen seien, meinte Corbelli.
Gewaltiger Druck der 'Ndrangheta auf Kalabrien
"Die Locride ist
zu einem Wilden Westen geworden, in dem das blutrünstige Gesetz der
'Ndrangheta gilt. Nach dem Blutbad in Duisburg wird es zu Racheaktionen
kommen. Daher ist der Einsatz des Heeres notwendig, um die Sicherheit der
Bürger zu garantieren", erklärte Corbelli.
"Kalabrien ist eine arme Region, die unter dem gewalttätigen Druck der 'Ndrangheta lebt. Die Region erlebt ein Drama aus Blut, Armut und Verlassenheit. Daher ist eine starke Reaktion der italienischen Institutionen notwendig", betonte die Parlamentarierin der Opposition Maria Burani Procaccini.
Italiens Geheimdienst Sisde veröffentlichte am Donnerstag ein Dossier über die Verstrickungen der 'Ndrangheta in Europa. Die Organisation habe ausgedehnte Interessen in Deutschland, Frankreich, Belgien und in den Niederlangen. Am Balkan seien solide Beziehungen mit der lokalen Kriminalität, vor allem mit der albanischen Mafia, aufgebaut worden, hieß es im Bericht. Hinzu seien die Beziehungen zu Gruppen von Kokain-Produzenten und -Dealern in Südamerika aufgebaut worden, hieß es im Bericht.
Mächtige Organisation
"Die 'Ndrangheta ist die
mächtigste und blutrünstigste kriminelle Organisation in Italien. Um diese
Art von Kriminalität zu bekämpfen, muss man die flüchtigen Mafia-Köpfe
festnehmen und die finanziellen und politischen Verstrickungen der Clans
verfolgen", betonte Pisanu nach Angaben italienischer Medien vom
Donnerstag.
Die 'Ndrangheta habe eine immer internationalere Dimension errungen und sei immer stärker in Finanzkreisen verstrickt. "Gegen die Mafia braucht man nicht das Heer zur Kontrolle des Territoriums, sondern gut geschulte Ermittler, die die neue internationale Dimension der Mafia kennen", betonte Pisanu.
Scharfer Kampf gegen "Ndrangheta
Der italienische Staat
führt seit Jahrzehnten einen scharfen Kampf gegen die 'Ndrangheta - der
kalabrische Arm der Mafia. Allein in diesem Jahr wurden 28 Polizeiaktionen
gegen die 'Ndrangheta geführt, die die Festnahme von 228 Personen zur Folge
hatte. Weitere 43 Menschen wurden wegen Verstrickungen zur 'Ndrangheta
angezeigt, berichtete der italienische Innenminister Giuliano Amato am
Donnerstag.
Zu den bedeutendsten Operationen zählen die Festnahme im vergangenen März des flüchtigen 'Ndrangheta-Bosses, Salvatore Pelle, der zu den 30 gefährlichsten, noch flüchtigen Mafia-Paten zählt. Pelle zählt zu einem in der Fehde verwickelten Clan, die zum Tod der sechs Italiener in Duisburg geführt hat, berichteten italienische Ermittler.
Etwa 7000 "Mitglieder"
Inoffiziellen Angaben
italienischer Ermittler zufolge stehen etwa 7.000 Mann im Dienst der
'Ndrangheta, unterteilt in etwa 100 Familienclans. Die traditionell
mächtigsten Familien stammen noch immer aus der Hochburg San Luca. Im
4.000-Seelen-Dorf an den Hängen der Apenninen-Kette Aspromonte wurden die
Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Die Polizei durchsuchte die Gegend nach
illegalen Waffen. Ziel ist, Racheaktionen zum Blutbad in Duisburg
vorzubeugen.
"Massaker ohne gleichen"
Der Präsident der
parlamentarischen Anti-Mafia-Kommission, Francesco Forgione, bezeichnete den
sechsfachen Mord in Duisburg als "Massaker ohne Gleichen". "Wir
wussten, dass die 'Ndrangheta ausgedehnte Interessen in Deutschland hatte,
wo Geld investiert und gewaschen wurde. Zum ersten Mal hat die 'Ndrangheta
jedoch ihre Fehden außerhalb Italiens geführt", meinte
Forgione. Das Blutbad zeige, dass die kalabresische 'Ndrangheta eine
internationale Dimension erlangt habe. Er forderte scharfe Kontrollen in
Kalabrien, um Racheaktionen vorzubeugen.
Auch der Anti-Mafia-Oberstaatsanwalt, Pietro Grasso, erklärte sich darüber überrascht, dass die sechs 'Ndrangheta-Anhänger in Deutschland getötet worden seien. "Die Opfer des Massakers hatten offensichtlich Kalabrien verlassen, um sich zu retten. Die Killer haben sie jedoch auch in Deutschland erreicht. Die Fehde zwischen 'Ndrangheta-Clans trifft auf undiskriminierte Weise auch die jüngeren Generationen. Wir stehen vor einer Barbarei, die wir unbedingt stoppen müssen", so Grasso. Er versicherte, dass die italienische Justiz der deutschen Polizei die best mögliche Unterstützung bei der Klärung des Blutbads in Duisburg sichern werde.