Papst Benedikt XVI. hat in einer Rede vor den Vereinten Nationen in New York eine Stärkung der Menschenrechte sowie mehr vorbeugende Konfliktlösung gefordert.
"Das Einstehen für Menschenrechte ist nach wie vor der beste Weg, um Ungleichheiten zwischen Ländern und gesellschaftlichen Gruppen abzubauen und für mehr Sicherheit zu sorgen", sagte er am Freitag vor der UN-Generalversammlung. Eindringlich mahnte er zu Umwelt- und Klimaschutz sowie zur Solidarität mit der Dritten Welt, äußerte sich allerdings nicht direkt zu konkreten Konflikten wie etwa den Irakkrieg oder Nahost. Anlass der Rede war der 60. Jahrestag der Verkündung der Charta der Menschenrechte.
Nachdrücklich betonte Benedikt XVI. die Verankerung der Menschenrechte im Naturrecht und in der Würde der Person als Geschöpf Gottes. "Die Menschenrechte aus diesem Kontext zu lösen, hieße ihre Reichweite beschränken und einer relativistischen Konzeption nachzugeben, nach der die Bedeutung und Interpretation von Rechten schwanken und ihre Universalität im Namen unterschiedlicher kultureller, politischer, sozialer und sogar religiöser Anschauungen geleugnet werden könnte", so der Papst laut Kathpress. Die Rede vor der UNO galt als politischer Höhepunkt der sechstägigen USA-Reise des katholischen Kirchenoberhauptes.
Einmischung gefordert
Eindringlich trat Benedikt auch für das
Recht auf Einmischung der internationalen Gemeinschaft bei Konflikten ein.
"Jeder Staat hat die vorrangige Pflicht, seine eigene Bevölkerung zu
schützen", sagte der Papst. Doch "wenn Länder nicht in der Lage sind, diesen
Schutz zu gewährleisten, muss die internationale Gemeinschaft mit den in der
Charta der Vereinten Nationen vorgesehenen Rechtsmitteln und mit anderen
internationalen Instrumenten eingreifen". "Indifferenz und Nicht-Handeln ist
das, was wirklich Schaden anrichtet", unterstrich der Papst. Einen
Alleingang von einzelnen Staaten verurteilte er jedoch und warnte - in einem
mutmaßlichen Seitenhieb gegen den US-Einmarsch in den Irak - davor, das
gemeinsame Vorgehen der Nationen durch unilaterale Beschlüsse zu gefährden.
Im Sinne der Konfliktprävention betonte der Papst, dass alle diplomatischen
Mittel und "selbst die geringfügigsten Zeichen" von Dialogbereitschaft
genützt werden müssten.
Dritter Papst vor UNO
Papst Benedikt XVI. hielt seine Reden
teilweise auf Französisch, der traditionellen Diplomatensprache, und auf
Englisch. Nach Paul VI. (1965) und seinem Vorgänger Johannes Paul II. (1979
und 1995) sprach er als dritter Papst vor der Staatengemeinschaft. Der
Heilige Stuhl, wie der Vatikan völkerrechtlich heißt, ist auf eigenen Wunsch
hin kein UN-Mitglied, hat aber seit 1964 permanenten Beobachterstatus. Nach
einer vertraulichen Unterredung mit dem Papst beschwor UN-Generalsekretär
Ban Ki-moon die Gemeinsamkeiten zwischen der Kirche und der
Weltorganisation: "Eure Heiligkeit, unsere Mission vereint uns auf so viele
Arten mit Ihrer." Gemeinsame Ziele seien der Kampf gegen Armut, der Einsatz
für Frieden und Freiheit und das Engagement für einen offenen Dialog
zwischen den Religionen und Kulturen. Am Freitagnachmittag (Ortszeit) sollte
Benedikt noch eine Synagoge besuchen und einen ökumenischen Gottesdienst
halten.
Ausdrücklich wandte sich der Papst auch den Themen Unterentwicklung in der Dritten Welt, Umwelt- und Klimaschutz zu. Diese Herausforderungen verlangten gemeinsames Handeln der Internationalen Gemeinschaft und "Solidarität mit den schwächsten Regionen der Welt". Im Hinblick auf Gentechnologie am Menschen und Stammzellenforschung warnte Benedikt XVI. vor einer "Verletzung der Schöpfungsordnung". Moderne Forschung und Technologie dürften nicht im Gegensatz zum "heiligen Charakter des Lebens" stehen.
Geste der Versöhnung
In einer unerwarteten und unerwartet
deutlichen Geste der Versöhnung hatte Benedikt bereits am Donnerstagabend
(Ortszeit) in Washington eine Gruppe von Opfern sexuellen Missbrauchs durch
katholische US-Priester empfangen. "Sie haben gemeinsam mit dem Heiligen
Vater gebetet, und anschließend hat er ihnen zugehört und ihnen Worte der
Ermutigung und der Hoffnung gespendet", teilte der Vatikan in einer
Erklärung mit, die erst erst nach dem Ende des Treffens in der Kapelle der
Vertretung des Vatikans in Washington herausgegeben worden war. Es war
mutmaßlich das erste Mal, dass ein Papst Opfer sexuellen Missbrauchs durch
Priester empfing.
Der Missbrauchs-Skandal, der die US-Kirche seit Jahren erschüttert, hat den Papstbesuch in den USA über weite Strecken beherrscht und überschattet. Dreimal nahm der Papst öffentlich Stellung dazu; er sei "tief beschämt", sagte er und kritisierte die US-Kirche, die viele dieser Fälle über Jahre vertuscht hatte. Kirchlichen Angaben zufolge waren in rund 50 Jahren mehr als 10.000 Kinder betroffen und knapp 4.400 Priester an den Missbrauchsfällen beteiligt.