In Bad Reichenhall (Bayern) stürzte vor zwei Jahren eine Eislaufhalle ein. 15 Menschen wurden erschlagen. Heute beginnt der Prozess.
Zwei Jahre nach dem Einsturz der Eishalle in Bad Reichenhall mit 15 Toten müssen sich seit Montag drei Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung vor dem Landgericht Traunstein verantworten. Die Anklage wirft den Bauingenieuren und Architekten im Alter zwischen 54 und 67 Jahren Fehler bei Bau und Begutachtung der Halle aus den 70er Jahren vor. Das Verfahren gegen den früheren Vize-Stadtbaumeister wurde wegen einer bevorstehenden Operation des 71-Jährigen abgetrennt. Zu Prozessbeginn warf der Anwalt eines Beschuldigten der Stadt vor, die Halle "praktisch als Schwarzbau errichtet und über 30 Jahre lang betrieben" zu haben.
Dach eingestürzt
Nach tagelangem Schneefall war am
Nachmittag des 2. Jänner 2006 das Dach der Eissporthalle eingestürzt. Die
tonnenschweren Trümmer begruben die Eisläufer unter sich. Drei Frauen und
zwölf Kinder und Jugendliche starben. Sechs Menschen wurden schwer verletzt,
die Anklage lautet deshalb auch auf fahrlässige Körperverletzung. Mit im
Gerichtssaal sitzen fünf Sachverständige und - in drei Reihen hintereinander
- die Nebenkläger mit ihren Anwälten. 15 Angehörige von Todesopfern haben
geklagt, sie wollen eine gerechte Strafe für die Verantwortlichen der
Tragödie.
Es gehe in erster Linie darum, dass die Schuldfrage geklärt werde, sagen Dagmar und Robert Schmidbauer. Das Paar verlor bei dem Unglück seine beiden Töchter Marina und Christina. "Es ist das letzte, was wir für unsere Kinder tun können", sagt Dagmar Schmidbauer. "Zurückbringen kann es sie nicht." Robert Schromm, der bei dem Unglück seine Frau Michaela verlor und nun mit Tochter Ricarda allein ist, hofft, dass die Verhandlung "Licht ins Dunkel" bringt. Er ist jedoch überzeugt: "Da sitzt die zweite, dritte, vierte Garde - nicht die Hauptverantwortlichen."
Schlampiges Gutachten
Rolf Krüger, Verteidiger eines 54-jährigen
Bauingenieurs, kritisierte: "Hier sitzt kein einziger Vertreter der Gemeinde
auf der Anklagebank." Sein Mandant hatte 2003 ein Gutachten erstellt, darin
aber keine Mängel am Dach festgestellt. Die Anklage legt dem Bauingenieur
deshalb zur Last, das Gutachten schlampig erstellt zu haben. Sein Anwalt
wirft nun der Stadt vor, sie habe gar keine umfassende
Standsicherheitsprüfung der Dachkonstruktion gewollt. Die Unterschrift
seines Mandanten unter den Gutachtervertrag sei ein "strafrechtlicher
Ablassbrief aller Gemeindevertreter für ihre bis dahin begangenen
Verfehlungen" gewesen.
Auch der 63-jährige Projektleiter aus der Bauzeit fragte das Gericht: "Warum sitzen nicht die auf der Anklagebank, die für die Instandhaltung der Halle verantwortlich waren? Ich sitze völlig schuldlos auf der Anklagebank." Er wies "die Unterstellung der Staatsanwaltschaft" zurück, er habe vom Fehlen einer Prüfstatik gewusst. Der frühere Vize-Stadtbaumeister hätte laut Staatsanwaltschaft das Fehlen geprüfter statischer Berechnungen bemerken und für Abhilfe sorgen müssen - doch er fehlt wegen seiner angeschlagenen Gesundheit in dem Prozess auf der Anklagebank.
Berechnung nicht amtlich überprüft
Der Bauingenieur der
Firma, die das Dach entwarf und errichtete, soll eine fehlerhafte und nicht
amtlich überprüfte statische Berechnung erstellt haben. Dadurch wurde laut
Anklage die Tragfähigkeit der Deckenträger überbewertet. Beim Zusammenkleben
wurde ein falscher, feuchtigkeitsempfindlicher Leim verwendet.
Die Fehler der Angeklagten führten laut Anklage zu der Tragödie: "Eine entsprechend den Regeln der Technik berechnete und errichtete sowie nicht durch Feuchtigkeitseinflüsse geschädigte Dachkonstruktion wäre deshalb unter dieser Schneelast nicht eingestürzt." Für den Prozess sind zwölf Verhandlungstage angesetzt, das Urteil soll am 24. April verkündet werden.