Drei Tage nach dem verheerenden Anschlag am Bondi Beach in Sydney ist der Überlebende der beiden mutmaßlichen Attentäter wegen Mordes in 15 Fällen sowie diverser weiterer Vergehen angeklagt worden.
Insgesamt werden ihm 59 Straftaten vorgeworfen, teilte die Polizei im australischen Bundesstaat New South Wales am Mittwoch mit. Darunter seien auch Körperverletzung mit Mordversuchen in 40 Fällen und Terrorismus.
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Der Mann habe getötet und Leben gefährdet, um eine religiöse Sache voranzutreiben und Angst in der Bevölkerung zu verbreiten, hieß es in der Erklärung der Polizei. "Erste Hinweise deuten auf einen Terroranschlag hin, der vom IS inspiriert wurde, einer in Australien gelisteten Terrororganisation."
Verdächtiger verweigerte Aussage
Laut der Zeitung "The Sydney Morning Herald" verweigerte der schwer verletzt im Krankenhaus liegende Todesschütze allerdings die Aussage. Der von Sicherheitskräften angeschossene und danach festgenommene Mann war am Dienstag aus dem Koma erwacht. Er hätte am Mittwoch verhört werden sollen. Er und sein Vater hatten während des jüdischen Lichterfests Hanukkah am Sonntag das Feuer auf die feiernde Menge am Strand eröffnet. Der Vater wurde von der Polizei erschossen.
17 Verletzte werden immer noch im Krankenhaus behandelt. Fünf von ihnen befanden sich zuletzt (Stand Mittwochmittag Ortszeit) in kritischem Zustand, vier davon waren stabil, wie die Gesundheitsbehörden des Bundesstaats New South Wales bekanntgaben. Unklar blieb, ob der überlebende Attentäter dabei eingerechnet wurde.
Attentäter war schon einmal im Visier der Behörden
Mittlerweile gilt es als gesichert, dass die Täter Verbindungen zur Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) hatten. Im Auto des Sohnes wurden laut Behördenangaben mehrere Sprengsätze und zwei selbstgemachte IS-Flaggen gefunden. Nach Angaben von Premierminister Anthony Albanese hatte der australische Inlandsgeheimdienst den damaligen Teenager vor sechs Jahren wegen Verbindungen zu einer Terrorzelle des IS in Sydney überprüft. In australischen Medien wurde die Frage aufgeworfen, warum dem Vater 2023 eine Waffenlizenz erteilt wurde, obwohl der Sohn vorher ins Visier von Anti-Terror-Ermittlern geraten war.
"Wir müssen zurückschauen auf das, was 2019 geschehen ist, als man diesen Mann überprüft hat, welche Schlüsse damals gezogen wurden", sagte Albanese dem Sender ABC Newsradio. Alles müsse geprüft werden, auch die Zusammenarbeit von Geheimdiensten, Sicherheitsbehörden und Polizei.
"Militärähnliche Ausbildung" in Philippinen vermutet
Kurz vor dem Anschlag hielten sich Vater und Sohn den philippinischen Behörden zufolge auf den Philippinen auf. Sie seien am 1. November angereist, um die von islamistischen Unruhen geprägte Region Mindanao zu besuchen. Dort erhielten sie nach Recherchen australischer Medien eine "militärähnliche Ausbildung". Beide hätten die Provinz die Provinz Davao als Zielort angegeben und das Land am 28. November 2025 mit einem Anschlussflug von dort nach Manila mit dem Ziel Sydney wieder verlassen. Nach Angaben der Einwanderungsbehörde in Manila stammt der Vater aus Indien und hatte seinen Wohnsitz in Australien. Der Sohn wurde in Australien geboren.
Laut der philippinischen Regierung gibt es keine Hinweise darauf, dass die mutmaßlichen Attentäter in den Philippinen ein terroristisches Training unterlaufen hätten. Präsident Ferdinand Marcos weise "die pauschale Aussage und die irreführende Darstellung der Philippinen als Trainingshochburg des IS entschieden zurück", sagte Regierungssprecherin Claire Castro am Mittwoch. "Es wurden keine Beweise vorgelegt, die die Behauptung stützen, dass das Land für Terroristenausbildungen genutzt wurde."
In der von Unruhen geprägten Region Mindanao, in der Davao liegt, kommt es seit Jahrzehnten immer wieder zu islamistischen Anschlägen auf Busse, katholische Kirchen und öffentliche Märkte. Von der Regierung unterstützte Sicherheitskräfte kämpfen dort seit langem gegen die mit dem IS in Verbindung stehenden Islamistengruppen Maute und Abu Sayyaf.
Erstes Terroropfer beerdigt
Unterdessen wurde das erste der 15 Todesopfer beerdigt. Die Trauerfeier für Rabbi Eli Schlanger fand in den Morgenstunden im jüdischen Gemeindezentrum Chabad of Bondi statt - rund einen Kilometer vom Ort des Anschlags entfernt. Der 41-Jährige war laut Medienberichten Vater von fünf Kindern, darunter ein Neugeborenes. Zu seiner Trauerfeier kamen viele politische Gäste, darunter der ehemalige Premierminister Scott Morrison.
In Australien wird nun über Konsequenzen aus dem schwerwiegendsten Anschlag der jüngeren Landesgeschichte diskutiert. Vieles dürfte in den kommenden Tagen und Wochen auf den Prüfstand kommen: Neben dem schon jetzt vergleichsweise restriktiven Waffenrecht, das die Regierung abermals verschärfen will, gilt das auch für die Arbeit der Polizei und Nachrichtendienste, das besonders kontroverse Feld der Einwanderungspolitik, Maßnahmen gegen Antisemitismus sowie für sozial- und bildungspolitische Programme, die Hass und Hetze nachhaltig den Nährboden entziehen sollen.
Australiens Außenministerin Penny Wong rief ihre Landsleute dazu auf, dem Terror mit gesellschaftlichem Zusammenhalt zu begegnen. "Denn dieser Anschlag war von einer Ideologie inspiriert, die darauf abzielt, uns zu spalten", sagte sie dem Rundfunksender ABC. "Deshalb ist das Wichtigste, was wir als Land tun können: zusammenzustehen."
Neujahrsfeier am Bondi Beach abgesagt
Am Mittwochmorgen gedachten zahlreiche Schwimmer an Sydneys beliebtestem Strand der Toten mit einer Schweigeminute. Eine geplante Silvesterfeier am Bondi Beach wurde von den Veranstaltern aber abgesagt. Das gab der Organisator der Feierlichkeiten in Absprache mit dem lokalen Gemeinderat bekannt. Tausende Menschen aus Australien und dem Ausland hätten sich auf das Fest gefreut, angesichts der schlimmen Ereignisse sei es aber nicht der richtige Moment zum Feiern, hieß es in einer Mitteilung.
Terrorexperte Nicolas Stockhammer von der Donau Universität Krems sieht den Anschlag in einem größeren internationalen Zusammenhang - und warnt in der "Kronen Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe) vor der wachsenden Schlagkraft des IS durch digitale Propaganda. "Der IS hat sich als weltweit agierende Terrororganisation konsolidiert", sagt er. Über sein "virtuelles Kalifat" inspiriere die terroristische Organisation Gewalt auf globaler Ebene. Dies mit "zunehmender Intensität" und "mehr Erfolg als andere".