EU-Türkei

Acht Beitritts-Kapitel eingefroren

Teilen

Die Kommission der Union empfiehlt, acht Beitritts-Kapitel auf Eis zu legen. Die türkische Regierung ist empört.

Wegen der Weigerung der Türkei, die Zollunion auf Zypern zu erweitern, will die EU-Kommission acht von 35 Kapiteln in den EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara de facto auf Eis legen. Die EU sollte laut der Empfehlung, die Erweiterungskommissar Olli Rehn am Mittwoch in Brüssel präsentierte, in den Bereichen freier Warenverkehr, Niederlassungsrecht und freier Dienstleistungsverkehr, Finanzdienstleistungen, Landwirtschaft, Fischerei, Verkehr, Zollunion sowie Außenbeziehungen keine Verhandlungen eröffnen, bis die Türkei ihre Verpflichtungen erfüllt.

Keine Zugeständnisse
Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan kritisierte die Empfehlung aus Brüssel umgehend scharf. Erdogan habe die Entscheidung als "inakzeptabel" bezeichnet, berichteten türkische Fernsehsender. Die Türkei werde trotz der von der EU-Kommission empfohlenen teilweisen Aussetzung der Beitrittsverhandlungen an ihrer harten Haltung im Streit um Zypern festhalten. "Wir machen keinerlei Zugeständnisse", sagte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am Mittwochabend in Ankara.

Ankara-Protokoll nicht umgesetzt
Außerdem sollte bis zur Umsetzung der Zollunion kein Kapitel geschlossen werden, empfiehlt die Kommission. Rehn betonte, die EU sei eine Rechtsgemeinschaft und müsse Konsequenzen aus der derzeitigen Situation ziehen, nachdem die letzten Bemühungen der finnischen EU-Ratspräsidentschaft zur Lösung der Zypernfrage am Montag gescheitert seien und die Türkei das so genannte Ankara-Protokoll bis heute nicht umgesetzt habe. "Pacta sunt servanda ("Verträge sind einzuhalten") ist ein europäischer Grundsatz", bekräftigte Rehn.

Der EU-Erweiterungskommissar verwahrte sich jedoch dagegen, die Entscheidung als Aussetzung oder Einfrieren der Verhandlungen zu bezeichnen. "Die Verhandlungen müssen weiter geführt werden, allerdings langsamer" , betonte er. In Hinblick auf seine vielmals zitierte Warnung fügte er hinzu: Es gebe "keinen Zug-Zusammenstoß", aber ein " Verlangsamen wegen Arbeiten an den Geleisen. Der Zug fährt weiter."

Der finnische Ministerpräsident und amtierende EU-Ratsvorsitzende Matti Vanhanen sieht den Vorschlag der EU-Kommission als "gute Grundlage" für die Beratungen der EU-Staaten. Die Entscheidung der EU-Außenminister am 11. Dezember "sollte die Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen sicherstellen, und ermöglichen, dass diese normalisiert werden, wenn die Bedingungen erfüllt sind", teilte Vanhanen mit. Er wird noch an diesem Freitag mit Erdogan in Ankara zusammenkommen, um die Lage zu besprechen.

Die EU will auch einen neuen Anlauf zur Wiedervereinigung der in geteilten Mittelmeerinsel Zypern unterstützen, sagte Rehn. In den Empfehlungen der Kommission heißt es, dies sollte noch 2007 unter Schirmherrschaft der UNO erfolgen. Völkerrechtlich ist ganz Zypern 2004 der EU beigetreten, im in der international nicht anerkannten türkischen Republik Nordzypern findet das EU-Regelwerk aber keine Anwendung. Die Türkei hat eine Ausdehnung der Zollunion auf die griechische Republik Zypern von einem völligen Ende des EU-Handelsembargos gegen den Nordteil abhängig gemacht. Ein UNO-Plan zur Wiedervereinigung der Insel war 2004 von den türkische Zyprioten angenommen worden, die griechischen Zyprioten lehnten ihn aber in einem Referendum ab.

Rehn rief Zypern indirekt auf, nach der heutigen Kommissionsempfehlung sein bisheriges Veto in den Türkei-Verhandlungen aufzugeben. Die vier Kapitel Wirtschaft und Währung, Unternehmen und Industrie, Finanzkontrolle sowie Bildung und Kultur könnten jederzeit eröffnet werden, sagte er. Von den 35 Verhandlungskapiteln hat Ankara erst eines (Wissenschaft und Forschung) vorläufig abgeschlossen.

EU setzt Ankara keine neue Frist
Eine neue Frist will die EU-Kommission der Türkei nicht setzen. "Es ist wie eine Spielzeitverlängerung. Die Türkei kann dies aber beenden, sobald sie ein goldenes Tor schießt", sagte Rehn. Über den Vorschlag der EU-Kommission sollen nunmehr die EU-Außenminister bei ihrem Treffen in Brüssel am 11. Dezember beraten. Sollte es dabei zu keiner endgültigen Einigung kommen, müsste sich voraussichtlich der EU-Gipfel am 14. und 15. Dezember mit den Strafmaßnahmen gegen Ankara befassen.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.