Der palästinensische Arzt weist die EU auf ihre "moralische Verpflichtung" bei Menschenrechtsfragen in Libyen hin.
Die von Libyen im Sommer freigelassenen bulgarischen Krankenschwestern wollen von dem nordafrikanischen Land keine Entschädigung für ihre achteinhalbjährige Haft und die Folter einfordern. "Wir werden von Libyen keine Entschädigung verlangen, denn nichts kann achteinhalb Jahre Gefangenschaft wettmachen", sagte die Krankenschwester Walentina Siropulo am Mittwoch nach einem Treffen mit EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering in Brüssel.
Opfer der schmutzigen Politik Libyens
"Wir waren Opfer der
schmutzigen Politik Libyens", sagte Siropulo. "Acht Jahre und sieben Monate
waren wir in der Hölle", schilderte der ebenfalls von Libyen in
Gefangenschaft gehaltene palästinensische Arzt Ashraf Shumaa Al Hadjuj. Er
bestätigte, dass die Inhaftierten vor ihrer Freilassung eine Erklärung
unterzeichnen mussten, in der sie auf etwaige Klagen gegen Libyen wegen
Misshandlung in ihrer Haft verzichteten. "Wir haben ein solches Papier
unterschrieben", sagte Hadjuj, der kurz vor seiner Freilassung die
bulgarische Staatsbürgerschaft erhalten hatte. Nach Medienberichten hatte
diese Vorgehensweise Libyens die Zustimmung auf höchster europäischer Ebene,
unter anderem von Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner.
"Moralische Verpflichtung" der EU
Die EU habe "eine
moralische Verpflichtung, Menschenrechtsfragen in Libyen mit einem
chirurgischen Messer anzuschneiden", sagte Hadjuj. "Es ist die Verantwortung
der europäischen Institutionen und vor allem des Parlaments, Menschenrechte
zu verteidigen", sagte Pöttering.
Der sozialdemokratische Fraktionsvizechef Hannes Swoboda sagte nach einem Treffen der bulgarischen Krankenschwestern und des palästinensischen Arztes mit Vertretern der SPE-Fraktion, sollte jemand von den Freigelassenen Klage gegen Libyen führen wollen, dürfe kein Druck auf sie oder ihn ausgeübt werden. Er glaube nicht, dass die unterzeichnete Verzichtserklärung vor internationalem Recht halten würde. "Dennoch ist es verständlich, dass die Menschen nicht einen zusätzlichen Zermürbungsprozess eingehen wollen."
Libyen immer noch kein Partner
Libyen sei noch immer kein
Partner, der Fairness und international gefordertes Verhalten an den Tag
lege und habe "extrem unfair" in der Angelegenheit agiert, kritisierte
Swoboda. Die Umstände der "offensichtlichen Geiselnahme" würden die Gefahr
in sich bergen, dass andere Staaten sich in einer solchen Aktion bestärkt
sehen könnten. Außerdem sei "noch vieles im Dunkeln, was aufgedeckt werden
muss". Frankreich habe mit der anschließend vereinbarten Lieferung eines
Atomreaktors nach Libyen ein "Plus" draufgesetzt, "das völlig unnötig
gewesen wäre". Der französische Präsident Nicolas Sarkozy habe durch seine
Beteiligung an der Befreiungsaktion ein Beispiel für populistische Politik
geliefert. Swoboda schloss nicht aus, dass sich ein Untersuchungsausschuss
des Europaparlaments mit dem nachher vereinbarten französisch-libyschen
Waffendeal befassen könnte, wenn dieser gegen europäische Grundsätze
verstoßen hätte. "Momentan liegt aber nichts am Tisch", betonte er.