Die Regierung des bulgarischen Ministerpräsidenten Kiril Petkow ist am Mittwoch durch ein Misstrauensvotum im Parlament gestürzt worden.
Ein Antrag der bürgerlichen Opposition des korruptionsumwitterten Ex-Premiers Bojko Borissow ist am Abend mit 124 zu 115 Stimmen angenommen worden. Borissows GERB hatte "das Versagen der Regierung in den Bereichen der öffentlichen Finanzen und der Wirtschaftspolitik" angeprangert. Hintergrund des Votums ist der Streit um die EU-Erweiterung.
Die erst Ende vergangenen Jahres gebildete bisherige Regierungskoalition in Sofia war Anfang Juni zerbrochen, als die populistische ITN-Partei des Sängers Slawi Trifonow ihren Rückzug aus dem von Petkow angeführten Vierer-Bündnis verkündete. Damit konnte sich der Premier nur noch auf 114 der 240 Abgeordneten stützen. Mit dem Sturz der Regierung sind vorerst auch Hoffnungen auf ein Ende der bulgarischen Blockade der EU-Beitrittsverhandlungen Nordmazedoniens geplatzt.
Petkow gibt sich kämpferisch
Petkows Regierung war erst seit Dezember im Amt. Er hatte versprochen, die weit verbreitete Korruption im ärmsten EU-Land zu bekämpfen und die Justiz zu reformieren. Für seinen Sturz machte Petkow Vorgänger Boiko Borissow (GERB) und auch Russland verantwortlich.
Nach der Niederlage sagte er: "Dieses Votum ist nur ein kleiner Schritt eines sehr langen Wegs. Eines Tages werden wir ein Bulgarien ohne Aktionen hinter den Kulissen, ohne Mafia haben."
Hohe Inflation in Bulgarien
GERB hatte ihren Antrag wirtschaftspolitisch begründet. Die Inflationsrate in Bulgarien lag im Mai bei 15,6 Prozent. Spediteure protestierten am Tag des Misstrauensvotums vor dem Parlament gegen die hohen Treibstoffpreise. Trifonows Partei hatte aus Protest gegen Petkows Nordmazedonien-Politik ihre vier Minister aus der bisherigen Vier-Parteien-Regierung zurückgezogen. Trifonow warf dem Regierungschef vor, im Alleingang Zugeständnisse an das Nachbarland machen zu wollen. Bulgarien blockiert seit Ende 2020 den Beginn von EU-Aufnahmeverhandlungen mit Nordmazedonien.
Erneuter Auftrag oder Neuwahlen
Der Verfassung zufolge bekommt Petkows Anti-Korruptions-Partei "Wir führen den Wandel fort" nun nochmals den Auftrag zur Regierungsbildung. Mit 67 Abgeordneten hat sie die größte Fraktion im 240 Sitze umfassenden Parlament - ist aber weit von einer eigenen Mehrheit entfernt. Angesichts der untereinander zerstrittenen Parteien schließen Experten auch Neuwahlen im Herbst nicht aus.