Am Sonntag wählt Bayern einen neuen Landtag. Die CSU befürchtet den Verlust der absoluten Mehrheit. Parteichef Huber steht unter Druck.
Kurz vor der bayerischen Landtagswahl brodelt in-und außerhalb der CSU die Gerüchteküche. Die vom Verlust ihrer jahrzehntelangen absoluten Mehrheit bedrohte Partei zeigt sich im Endspurt bis zum Wahlsonntag mit gespaltener Identität: Zuversicht und Untergangsangst Hand in Hand. So gut wie alle direkt gewählten CSU-Abgeordneten glauben, dass sie am 28. September persönlich gut abschneiden werden und die Partei die absolute Mehrheit der Sitze halten wird.
Mögliche Szenarien: SZENARIO 1: Die CSU erreicht ihr selbst gestecktes Wahlziel und kommt auf mehr als 50 Prozent der Stimmen. Sie behält dann auch ihre absolute Mehrheit der Sitze und kann auch weiter allein regieren. SZENARIO 2: Die CSU rutscht unter die für sie auch psychologisch wichtige 50-Prozent-Marke. Allerdings kommen die übrigen Parteien, die in den Landtag einziehen, zusammengezählt nicht auf mehr Stimmen als die Christsozialen. Die CSU behält in diesem Fall die absolute Mehrheit der Sitze und kann auch weiter allein regieren. SZENARIO 3: Die CSU rutscht unter 50 Prozent. Gleichzeitig kommen die übrigen Parteien, die in den Landtag einziehen, zusammengezählt auf mehr Stimmen als die Christsozialen - und bekommen am Ende auch mehr Sitze im Landtag zugeteilt. Dann ist die CSU nach 42 Jahren Alleinregierung erstmals auf einen Koalitionspartner angewiesen. Theoretisch denkbar ist in diesem Fall allerdings auch ein Bündnis aller anderen im Parlament vertretenen Parteien gegen die CSU. |
Es wird wild spekuliert
Viele befürchten das Schlimmste. So
machen wilde Spekulationen die Runde: Wer stürzt bei einem schlechten
Ergebnis? Wird Generalsekretärin Christine Haderthauer das Bauernopfer? Muss
Parteichef Erwin Huber gehen? Was wollen Parteivize Horst Seehofer und
Europaminister Markus Söder?
"Wir machen den 50er vorne dran", sagt der niederbayerische CSU-Abgeordnete Gerhard Waschler - stellvertretend für sehr viele seiner Landtagskollegen. Die Stimmung daheim im Stimmkreis sei ganz gut, gut oder sehr gut, wird übereinstimmend berichtet. Dennoch wird vielfach über die Spitze geklagt - Haderthauer, Huber und Ministerpräsident Günther Beckstein. Die Liste der Beschwerden ist lang und reicht von missratenen Wahlplakaten bis zur mehrfach geäußerten Grundsatzkritik, die CSU-Führung vermittle "keine Visionen". Die Leute wüssten nicht mehr, warum sie eigentlich CSU wählen sollten. Auf diesem Nährboden aus Angst und Zuversicht gedeihen die wildesten Gerüchte.
50 Plus - und Huber bleibt im Amt
Ein vielzitierter "Plan B"
macht die Runde: CSU-Vize Horst Seehofer wolle Huber ersetzen. Weitgehender
Konsens in der CSU ist, dass bei einem Ergebnis von über 50 Prozent Huber
und Beckstein im Amt bleiben. Für den Fall aber, dass die CSU unter 50
Prozent rutscht, gilt Haderthauer als wahrscheinliches Opfer. Doch
Haderthauer würde anschließend als Kabinettsmitglied wiederkommen, heißt es
vielfach bei einfachen Abgeordneten wie Vorstandsmitgliedern.
Denn die Generalsekretärin hat ob ihres ungeheuren Selbstbewusstseins zwar viele Gegner. Aber Haderthauer ist vergleichsweise jung, weiblich, eloquent, eine gute Rednerin - alles Mangelware bei der CSU. Sie kommt bei der CSU-Basis wie bei der Bevölkerung gut an. "Sie erschließt uns neue Wählerschichten, die wir sonst gar nicht erreichen würden", sagt ein CSU-Politiker.
Die eigentliche Frage aber ist das Schicksal von Parteichef Huber. Den viel bemühten "Plan B" aber gibt es im CSU-Vorstand nicht. Denn in Wahrheit gibt es keine einheitliche Linie in der CSU-Führung. Einige glauben, dass bei einer Wahlniederlage Stabilität wichtiger ist als neue Köpfe. Ein nochmaliger Austausch des Parteivorsitzenden helfe nichts. Außerdem wäre auch ein Übergang zu Seehofer kein Generationswechsel.
Europawahl im Sommer 2009
Andere Mitglieder der CSU-Spitze sind
überzeugt, dass es bei einer Niederlage ein "Weiter so" nicht
geben darf. Die Angst im Hintergrund: Bei einem Weiterwursteln mit Huber und
Beckstein werde auch die Europawahl im kommenden Sommer vergeigt und
anschließend im ultimativen Alptraum auch noch die Bundestagswahl. Damit
wäre der Mythos CSU endgültig am Ende. Also doch lieber gleich Seehofer als
Parteichef.
In einem ganz wilden Produkt der Gerüchteküche wird ein Tandem aus Seehofer und Europaminister Markus Söder unterstellt, der gleich Ministerpräsident werden wolle. Der Europaminister weist das weitestens von sich und zeigt sich loyal zu Beckstein: "Ein Nürnberger unterstützt immer einen Nürnberger." Der JU-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Stefan Müller meint zu den ins Kraut schießenden Spekulationen: "Manches, was ich da sehe und höre, gehört zur Kategorie frei erfunden."
Was im Falle einer Niederlage tatsächlich geschehen wird, kann aber niemand vorhersagen, auch niemand in der CSU-Spitze. Denn das hängt ganz wesentlich von der Reaktion der Parteibasis ab, wie ein Abgeordneter zu bedenken gibt. Wahlniederlagen entwickeln ihre eigene Dynamik. Nichtsdestotrotz herrscht Zuversicht in der CSU, und offenbar sogar wachsende Zuversicht. Ein oft gehörter Satz unter CSU-Landtagsabgeordneten dieser Tage: "Also ich selber habe in meinem Stimmkreis keine Probleme."